Rundbrief vom 02. Mai 2011

1. Tagebau Reichwalde fördert weniger als angekündigt

2. Tillich im Traumland

3. Neues Buch: "Kultur braucht Orte – Brandenburg (k)ein Kulturland"

4. Green please - Zum Tod von Karsten Maspfuhl

5. Presseartikel und -mitteilungen

- CO2-Speicherung vor den Küsten? - NDR - 28.04.2011

- Kagelmann/Kosel: Kritische Fragen zu Sachsens Kohlepolitik - Pressemitteilung Die Linke   Sachsen, 18.04.2011

Sehr geehrte Interessenten,

hier nach der Osterpause einige Nachrichten zur Kohle in der Lausitz:

1. Tagebau Reichwalde fördert weniger als angekündigt

Zwei sächsische Landtagsabgeordnete äußerten den Verdacht, dass Vattenfall den Tagebau Reichwalde bewusst wenig nutzt, um Planverfahren zu Umsiedlungen in anderen Tagebauen voranzutreiben. Der Tagebau Reichwalde in Nordsachen ist seit 1994 genehmigt und erfordert keine weiteren Umsiedlungen mehr. Während er nur sehr zögerlich wieder in Betrieb genommen wird, macht Vattenfall bei den Tagebauen in Welzow-Süd (Brandenburg) und Nochten (Sachsen) massiv Druck zu einer schnellen Umsiedlung von Tausenden Bürgern. Die sächsischen Landtagsabgeordneten Kathrin Kagelmann und Heiko Kosel (DIE LINKE) nahmen das zum Anlaß, bei der Landesregierung kritisch nachzufragen. (siehe unten) Daraufhin beeilte sich Vattenfall, in einer Pressemitteilung (am 20. April) hervorzuheben, es seien in diesem Jahr schon 1,25 Mio. Tonnen in Reichwalde gefördert worden. Wer diesen Abbau der ersten dreieinhalb Monate jedoch auf das gesamte Jahr hochrechnet, kommt auf höchstens 4,5 Millionen Jahrestonnen. Das ist weniger als die Hälfte der 10-11 Mio. t, die Vattenfall für diesen Tagebau geplant und angekündigt hatte. Die Frage, ob Reichwalde künstlich verzögert wurde oder wird, um andernorts dringenden Kohlebedarf zu heucheln, bleibt also berechtigt. Von 1999 bis 2010 stand der Tagebau Reichwalde komplett still, während in Brandenburg die "unvermeidlichen" Umsiedlungen von Horno und Haidemühl durchgeführt wurden.

3. Tillich im Traumland

Auf einer Tagung der von Vattenfall dominierten "Wirtschaftsinitiative Lausitz" am vergangenen Donnerstag gab der sächsiche Ministerpräsident Stanislaw Tillich seine Auffassung von Energiewende zum besten: deren Rückgrat sollen nämlich herkömmliche Braunkohlenkraftwerke sein. Tagebaue seien sogar doppelte Goldgruben, weil die Bergbauseen künftig mehr Touristen als der Spreewald anziehen sollen. Die Sperrung zehntausender Hektar Kippenflächen durch die Bergbehörden wegen Sicherheitsproblemen muß dem Landesvater da einfach mal entfallen sein. Offenbar nicht die einzige Kostprobe fehlender Fachkompetenz: er dichtete laut Lausitzer Rundschau den Kraftwerken Jänschwalde und Schwarze Pumpe einen Wirkungsgrad von 43 % an. Tatsächlich hat Jänschwalde knapp 36 % elektrischen Nettowirkungsgrad und Schwarze Pumpe etwa 40 %. Nur der relativ kleine Neubau in Boxberg soll einmal 43 % schaffen, aber bisher gab es damit technische Probleme und Verzögerungen (vgl. letzter Rundbrief). In zwei benachbarten Boxberger Blöcken soll unbefristet weiter mit höchstens 36 % gearbeitet werden. Und selbst bei 43 % Wirkungsgrad bliebe Braunkohle der klimschädlichste Energieträger. Hier die Tillich-Träume im Original:

http://www.lr-online.de/wirtschaft/wirtschaft-lr/Mehr-Braunkohle-und-noch-mehr-Touristen;art1067,3321168

3. Neues Buch "Kultur braucht Orte – Brandenburg (k)ein Kulturland"

Im Buch "Kultur braucht Orte – Brandenburg (k)ein Kulturland" geht es um jahrhundertealte Gutsanlagen, die heute zu den Kleinoden des Landes gehören. Es werden Anwesen beschrieben, die durch großes Engagement wieder zu lebendigen Kulturorten geworden sind. Zudem werden kulturell wertvolle Baulichkeiten dargestellt, deren Fortbestand gefährdet ist, wie etwa der Abriss des denkmalgeschützten Gutshauses in Gulben. Ein zusätzliches Kapitel ist den durch Braunkohlentagebau bedrohten Dörfern gewidmet. Aus dem Vorwort: "In Momenten, in denen ich vor alten Gutsanlagen und Kirchen stand, die Gefahr sind, in wenigen Jahren einer ´Kraterlandschaft´ (wie in Grabko, Kerkwitz, Atterwasch) weichen zu müssen, war die Frage präsent: Ist Brandenburg (k)ein Kulturland?"

"Kultur braucht Orte" von Hildegard Vera Kaethner (143 Seiten, zahlreiche farbige Fotos) ist in der Burg Storkow und über e- Mail : Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! mit dem Stichwort - Lausitz - zum Preis von 15 EURO inkl. Versandkosten zu erwerben.

4. Green please - Zum Tod von Karsten Maspfuhl

Erst aus der Presse haben wir erfahren, dass Karsten Maspfuhl bereits vor einigen Wochen verstorben ist. Wir wollen an dieser Stelle kurz aus Sicht der Cottbuser Umweltaktiven an ihn erinnern.

Als Mitarbeiter des Grünflächenamtes der Stadt Cottbus nahm Karsten Maspfuhl weit über das dienstlich nötige hinaus Anteil an der Entwicklung von Landschaften der Stadt und ihres Umlandes. Besonders erfüllte ihn die drohende Abbaggerung der Lacomaer Teiche mit Sorge und ließ ihn immer wieder mahnend das Wort erheben. Nach einer Entscheidung des Braunkohlenausschusses zur Abbaggerung von Lacoma rief Karsten Maspfuhl schon Anfang des Jahres 1992 mit einer Denkschrift dazu auf, noch einmal nachzudenken und den Beschluß zu revidieren. Später war er an der Erstellung des 1996 erschienenen Landschaftsplanes der Stadt beteiligt. Dort wurde noch einmal unmißverständlich deutlich gemacht, dass die Lacomaer Teiche in ihrer Bedeutung für die Stadt dem Branitzer Park gleichstehen. Als Rentner nahm Herr Maspfuhl weiter regelmäßig an den Sitzungen des Arbeitskreises Cottbus-Nord des Braunkohlenausschusses teil, um sich - nun als Privatperson - einzumischen. Doch den Bergbaubetrieb und seine Erfüllungsgehilfen beeindruckte solches Engagement nur wenig. Die Erlebnisse mit der Entscheidungsfindung und der Arroganz der Mächtigen verarbeitete Karsten Maspfuhl in Gedichten und Sinnsprüchen unter dem Pseudonym "Green Please". Einige davon erschienen im Heft "Das Lakomaer Teichgebiet-Ende für ein Paradies", das wir 1995/97 als lokale Bürgerinitiative herausgaben. Nach den von ihm so lange verteidigten Landschaft ist nun auch Karsten Maspfuhl von uns gegangen. Wir werden ihn nicht vergessen.

5. Presseartikel und -mitteilungen:

http://www.ndr.de/regional/kohlendioxidspeicherung109.html

CO2-Speicherung vor den Küsten? - NDR - 28.04.2011

Die Bundesregierung hält sich im Gesetz zur unterirdischen CO2-Speicherung die Option offen, vor den Küsten Lagerstätten ohne Ländermitsprache einzurichten. Das geht aus einer Antwort [1] des Bundeswirtschaftsministeriums an die Grünen hervor. Die Bundesländer können demnach zwar in ihrem Gebiet CO2-Lager verhindern, nicht aber in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ). Diese beginnt zwölf Seemeilen (rund 20 Kilometer) vor den Küsten.

Eine Speicherung unter dem Meer gilt technisch als möglich. Die Regierung will laut Wirtschaftsstaatssekretär Jochen Homann keine Maßnahmen ergreifen, die den Ländern ein Mitspracherecht in der AWZ einräumt. Nach einer Aufstellung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) gibt es vor allem in der Nordsee große Speicherpotenziale. Der Umweltorganisation Greenpeace zufolge lassen sich pro Quadratkilometer bis zu zehn Millionen Tonnen des Klimakillers CO2 verpressen.

Bei der CCS-Technik (Carbon Dioxide Capture and Storage) wird das beim Verbrennen der Kohle entstehende Treibhausgas CO2 abgetrennt und unter die Erde verpresst. Die Bundesregierung will das Verfahren bis 2017 erproben lassen. Umweltschützer und Anwohner befürchten ein unkontrolliertes Entweichen der Gase. Bundesweit gibt es viele Bürgerinitiativen gegen die Technologie. Bisher will nur der Energiekonzern Vattenfall in Brandenburg eine große CCS-Anlage bauen. Wo die Lager entstehen sollen, ist noch unklar. Die Regierung sieht die Technologie als Chance im Kampf gegen den Klimawandel.

Skeptische Bundesländer wie Schleswig-Holstein und Niedersachsen hatten sich in zähen Verhandlungen mit dem Bund ein Vetorecht gegen die Speicherung in ihrem Gebiet erkämpft. Bei begründeten Bedenken können sie CO2-Endlager verhindern.

Die Sprecherin der Grünen-Fraktion für Energiewirtschaft, Ingrid Nestle, kritisierte, dass die Länder nicht auch bei einer möglichen Speicherung vor ihren Küsten mitreden können: "Nur etwa 20 Kilometer trennen Schleswig-Holstein und Niedersachsen davon, zum größten CO2-Versuchslabor der Bundesregierung zu werden." Die CCS-Länderklausel sei deshalb eine Farce.

http://www.linksfraktionsachsen.de/index.php?section=news&cmd=details&newsid=1417

Kagelmann/Kosel: Kritische Fragen zu Sachsens Kohlepolitik - Pressemitteilung Die Linke Sachsen, 18.04.2011

Die Lausitzer Landtagsabgeordneten der LINKEN Kathrin Kagelmann und Heiko Kosel haben eine Kleine Anfrage zu Ungereimtheiten der sächsischen Braunkohlepolitik und des Vorgehens von Vattenfall eingereicht. Dazu erklären Kagelmann und Kosel:

„Es besteht der Verdacht, dass der Tagebau Reichwalde bewusst nicht genutzt wird, um mit angeblich dringendem Bedarf nach Kohle den Druck auf die Bevölkerung der Schleifer Region zu erhöhen und die Abbaggerung der Siedlungen von 1.500 Menschen zu erleichtern. Gleichzeitig werden – auch mit der jüngsten Wortmeldung des Ministerpräsidenten zum Ausbau der Braunkohleverstromung – Hoffnungen auf zusätzliche Arbeitsplätze geweckt, die nicht erfüllt werden. Auch der Eindruck, dass eine – gerade auch im Interesse der bedrohten sorbischen Sprache und Kultur notwendige – Sicherung gewachsener Dorfstrukturen durch gemeinsame Umsiedlung angestrebt werde, scheint zu trügen. Deshalb sollen unsere kritischen Nachfragen die Staatsregierung zwingen, Farbe zu bekennen, und den Betroffenen Klarheit verschaffen.“

Der Text der Anfrage lautet: „Der regionale Planungsverband Oberlausitz-Niederschlesien arbeitet mit Unterstützung der Staatsregierung an einem Braunkohlenplan, der die Umsiedlung weiterer Ortschaften mit etwa 1500 Einwohnern durch den Tagebau Nochten des Unternehmens Vattenfall vorsieht. Für den benachbarten Tagebau Reichwalde liegt seit 1994 ein Braunkohlenplan sowie ein genehmigter bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan vor, er wurde jedoch 1999 stillgelegt. Die Wiederaufnahme der Kohleförderung erfolgte im Jahr 2010. Inzwischen aber ruht die Kohleförderung erneut. Offiziell werden technische Schwierigkeiten beim Betrieb des Blocks R des Kraftwerkes Boxberg dafür verantwortlich gemacht.

Fragen an die Staatsregierung:

  1. Wann wird im Tagebau Reichwalde die Kohleförderung a) im Probetrieb und b) im Volllastbetrieb wieder aufgenommen und von welchem Kohleverbrauch wird für den Kraftwerksstandort Boxberg jeweils ab dem Jahr 2013 und ab 2020 ausgegangen?
  2. Was unternimmt die Staatsregierung dagegen, dass seitens des Unternehmens Vattenfall augenscheinlich die Erweiterung anderer Tagebaue in besiedelten Gebieten vorangetrieben, die Auskohlung genehmigter und bereits entsiedelter Felder aber verzögert wird?
  3. Wie wirkt die Staatsregierung darauf hin, dass die Umsiedlung gewachsener Dörfer im sorbischen Siedlungsgebiet nur dann erfolgt, wenn die Kohleförderung aus bereits erschlossenen Kohlefeldern nicht ausreicht?
  4. Wie entwickelten sich die Beschäftigtenzahlen im Unternehmen Vattenfall einschließlich der Tagebaue Reichwalde und Nochten in den Jahren 2008 bis 1. Quartal 2011? (Bitte in Jahresscheiben und nach Betriebsstätte auflisten.)
  5. Wie wirkt die Staatsregierung darauf hin, dass der Erhalt der durch den Kohleabbau in der Oberlausitz existenziell bedrohten sorbischen Sprache und Kultur gefördert wird, indem gewachsene Dorfstrukturen durch Umsiedlungen an einen zentralen Standort gesichert und nicht durch mehrere stark zergliederte Umsiedlungsstandorte zusätzlich noch gefährdet werden?