Rundbrief vom 29. Januar 2019

Liebe Rundbrief-Leserinnnen und Leser,

die Kohlekommission ist Geschichte, ihre Empfehlungen liegen nun der Bundesregierung vor. Während bundesweit erste Schritte zum Kohleausstieg vereinbart sind, ist das Ergebnis für die Tagebaubetroffenen in der Lausitz enttäuschend. Wir haben uns gleich am Sonnabend dazu zu Wort gemeldet. Wir werden den Kommissionsbericht noch näher analysieren und mit den Lausitzer Bürgerinitiativen besprechen. Weitere Bewertungen folgen in Kürze.

  1. Lausitz soll weiter verwüstet werden – Kohlekommission im Osten mutlos
  2. Statement von Hannelore Wodtke
  3. Woidkes Wunderwaffe: Kraftwerk Jänschwalde „innovativ“

1. Lausitz soll weiter verwüstet werden – Kohlekommission im Osten mutlos

Die GRÜNE LIGA kritisiert, dass der am 26. Januar verabschiedete Bericht der Kohlekommission verbindliche Schritte zum Klimaschutz im Lausitzer Revier auf die Zeit ab 2030 verschiebt und die überfällige Rettung des Dorfes Proschim nicht festschreibt. Das Umweltnetzwerk kündigt weitere Proteste gegen Umsiedlung, Landschaftszerstörung und Zwangsenteignungen im Lausitzer Revier an.

„Während im Rheinland die notwendigen ersten Schritte zum Kohleausstieg gegangen werden, sollen die Steuermilliarden in der Lausitz praktisch ohne Gegenleistung fließen. Die Kraftwerksplanungen des LEAG-Konzerns werden bisher nicht angetastet. Offenbar soll der Steuerzahler hier nicht die Folgen eines Kohleausstieges abfedern, sondern die Sparprogramme der LEAG-Eigner ausgleichen und den Landtagswahlkampf der beiden Ministerpräsidenten retten.“ sagt René Schuster von der GRÜNE LIGA, Mitglied im Braunkohlenausschuss des Landes Brandenburg.

Hannelore Wodtke, Vertreterin der Lausitzer Tagebaubetroffenen in der Kohlekommission, hat dem ausgehandelten Kommissionsbericht nicht zugestimmt. „Die Rettung des Dorfes Proschim vor der Umsiedlung ist seit Jahren überfällig. Auf Druck der sächsischen und brandenburgischen Landesregierungen lässt die Kohlekommission die betroffenen Menschen weiter in Unsicherheit über ihre Zukunft. Offensichtlich lassen sich Kretschmer und Woidke ihre Politik noch immer vom EPH-Konzern diktieren.“ begründet Wodtke ihre Ablehnung.

Die vollständig im Eigentum der tschechischen EPH befindliche LEAG will selbst und erst 2020 entscheiden, ob sie den Tagebau Welzow-Süd II noch aufschließt. Seit 2014 leben die Bewohner in Unsicherheit, ob der von der Landesregierung beschlossene Braunkohlenplan umgesetzt wird. (Pressemitteilung vom 26.01.2019)

2. Statement von Hannelore Wodtke zum Kommissionsergebnis

Zum Kompromiss der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung („Kohlekommission“) erklärt Kommissionsmitglied Hannelore Wodtke aus Welzow:

hannelore zoomGrundsätzlich ist es gut und richtig, dass ein bundesweiter Kompromiss zum Ausstieg aus der Kohle zustande gekommen ist. Das wirklich Gute ist, das ab heute der echte Einstieg in den Ausstieg beginnt. Leider haben die Brandenburger und Sächsische Länderregierungen den Prozess blockiert, wo es nur ging.
Es war noch nicht einmal möglich, den Erhalt des von der Abbaggerung bedrohten Dorfes Proschim im Endbericht festzuschreiben. Es konnte dadurch nicht erreicht werden, dass die von der Abbaggerung am Tagebau Welzow bedrohten Menschen durch die Kommission Planungssicherheit erhalten durften. Offensichtlich lässt sich Ministerpräsident Woidke seine Politik noch immer vom EPH-Konzern aus Prag diktieren. Die vollständig im Eigentum der tschechischen EPH befindliche LEAG soll weiterhin selber erst 2020 entscheiden, ob sie den Tagebau Welzow-Süd II noch aufschließt. Von dieser Position rückte die Landesregierung keinen Millimeter ab. Man muss sich fragen, wer in diesem Land eigentlich regiert. Seit 2014 leben die Bewohner in Unsicherheit, ob der von der Landesregierung beschlossener Braunkohlenplan umgesetzt wird. Dieses Ergebnis der Kommission konnte ich nicht guten Gewissens mittragen obwohl ansonsten viel für den Strukturwandel erreicht wurde.

Im Westen, wo der Kohleausstieg nun wesentlich früher beginnen wird, war man bereit den Hambacher Wald nicht dem Kohlebagger zu opfern. Es ist eine Schande, wie die SPD-Regierung in Brandenburg die Menschen behandelt, die von der Braunkohlepolitik betroffen sind. Ich habe insbesondere durch das Agieren der Brandenburger Landesregierung, das Gefühl bekommen, dass Menschen, die auf Kohle leben, für die SPD in Brandenburg weniger wert sind. Sozialverträglichkeit dürfte es eigentlich nicht nur für Arbeiter in der Braunkohle geben. Meiner Ansicht nach muss es für alle Menschen gelten. Doch das war mit der Landesregierung nicht zu machen. Und dafür sollen auch noch bundesweit Steuermilliarden nach Brandenburg fließen.

Wir haben dennoch die Hoffnung, dass Proschim erhalten bleibt. Durch das von der Kommission ausgehandelte Ausstiegsdatum 2035 mit der Option auf 2038 wird ein neuer Tagebau Welzow II unwahrscheinlich. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass zu Beginn der 2030er Jahre noch Menschen für Braunkohle enteignet werden. Bis dahin werden wir alle Kraft aufwenden, dagegen zu kämpfen. Es ist bedauerlich, dass die Brandenburger Landesregierung es nicht wollte, einen gesellschaftlichen Großkonflikt zu befrieden, obwohl eine gütliche Einigung auf der Hand lag.

(Pressemitteilung vom 26. Jauar 2019, Quelle: http://www.allianz-für-welzow.de )

3. Woidkes Wunderwaffe: Kraftwerk Jänschwalde „innovativ“

Wieder einmal soll eine technische Innovation das Kohlekraftwerk Jänschwalde am Leben erhalten. Noch sind viele unsicher, was sie von dem Projekt halten sollen, während andere auch nichts wissen, aber schon dafür sind. Hier eine Zusammenfassung:

Das weckte Erinnerungen: Kommissionsvorsitzender Matthias Platzeck hatte plötzlich die Lösung: Das Kraftwerk bleibt, es kommt nur einfach kein CO2 mehr raus. Das Ganze natürlich durch Innovation. Viel genauer wurde er nicht. Derselbe Matthias Platzeck hatte 2007 die glorreiche Zukunft des Kraftwerksstandortes durch einen Neubau mit CO2-Abscheidung und unterirdischer Verpressung der Gase verkündet. Jeder weiß, was nach jahrelangen Bürgerprotesten daraus geworden ist.

Am Montag konnte man der „Welt“ wenigstens schon mal den Begriff „Wärmespeicherkraftwerk“ und den Projektnamen „Third Life“ entnehmen. Allerdings wurde in diesem Bericht aus der von Platzeck für 2025 versprochenen 90prozentigen CO2-Reduktion nun eine Umrüstung, die „ab 2025 sukzessive“ erfolgen solle und zwar auf einen nicht genannten „anderen Energieträger“. Die Rede ist von einem Betrieb bis 2035. Das Prinzip beruhe auf dem Aufheizen riesiger Salztanks durch Wind- und Solarstrom auf rund 400 Grad (Carnot-Batterie). Mit der Hitze sollen Dampfturbinen zur Stromgewinnung angetrieben werden und der Brennstoff Braunkohle bei der Umrüstung der einzelnen Kraftwerksblöcke nach und nach wegfallen.

Der WELT-Autor vermutet, die Technik sei „von so zukunftsweisender Art, dass sie von den Umweltvertretern der Kommission nicht so leicht abgetan werden konnte“. Er kann sich offensichtlich (wie jeder normale Mensch) nicht vorstellen, dass die Kommission hier über ein „Innovationsprojekt“ entscheiden sollte, zu dem sie nie eine auch nur grobe Beschreibung erhalten hatte. Die Landesregierung Brandenburg versuchte dennoch, die Kommission dazu zu bringen, von diesem Projekt den einzigen Fortschritt des Klimaschutzes in Deutschland zwischen 2023 und 2030 abhängig zu machen, zugleich den einzigen in der Lausitz vor 2030. Herausgekommen ist letztlich der Satz „2025 erfolgt dabei ein substanzieller Zwischenschritt bei der Emissionsminderung von zehn Millionen Tonnen möglichst durch ein Innovationsprojekt.“

Das Problem an „Third Life“ ist die Vermischung von Nachnutzung und Laufzeitverlängerung eines Kraftwerkes: Wärmespeicherkraftwerke kommen für die Nachnutzung von Standorten grundsätzlich in Frage. Sie sind aber kein Argument, um die Verstromung von Kohle in die Länge zu ziehen. Genau das wird hier bewusst nicht voneinander getrennt, offenbar um der Kohle einen grünen Anstrich zu verpassen und vom Weiterbetrieb einer der klimaschädlichsten Anlagen Europas abzulenken. Genau so sollte einst das CCS-Demonstrationskraftwerk die benachbarten Uraltblöcke in der öffentlichen Wahrnehmung reinwaschen. Funktioniert hat das allerdings nicht.

Ob und Wann das Technologieversprechen technisch ausgereift und wirtschaftlich tragfähig sein wird, ist unklar. Ministerpräsident Woidke scheint es bei dem Projekt auch darum zu gehen, dass die Kohlebeschäftigten in seinem Wahlkreis bis zur Landtagswahl am 1. September das absehbare Ende des Kraftwerkes weiter verdrängen können. Es droht aber auch der Weiterbetrieb des alten Kraftwerk bis 2029 oder sogar länger, falls eine Umrüstung die geschürten Hoffnungen nicht erfüllen kann. Dann wäre das der Todesstoß für den Klimaschutz in Deutschland. Hier darf die Bundespolitik nicht mit sich handeln lassen. Sie muss genau hinsehen und darf nicht in Trance verfallen, sobald das Wort „Innovation“ erklingt.

Bewerten kann man das Projekt erst, wenn seine Befürworter die folgenden Fragen beantworten können:

  • Welche Leistung sollen die Salzspeicher haben?
  • Welcher Anteil fossiler Energie wird verbraucht, welcher Energieträger soll wann die Braunkohle ersetzen?
  • Wie viele und welche Kraftwerksblöcke werden wann umgerüstet?
  • Wird wirklich erneuerbarer Strom gespeichert oder auch (wieviel) Strom aus den Braunkohlenkraftwerken? Offenbar soll der Speicher ja nicht länger betrieben werden als die Kraftwerke Schwarze Pumpe und Boxberg.
  • Welchen Wirkungsgrad soll die Anlage erreichen und wie viel öffentliche Förderung ist zu ihrem Betrieb nötig? Profitieren die anderen Braunkohlekraftwerke durch Zwischenspeicherung ihres Stroms und wird das von der Förderung abgezogen?
  • Wie viel Braunkohle verbraucht das Kraftwerk nach 2025 insgesamt noch? Daran entscheidet sich, wie stark das Projekt den Klimaschutz behindert und ob hier mit Steuergeldern die Zwangsumsiedlung von Proschim subventioniert werden soll.
  • Wie hoch ist der Wasserverbrauch? Das Wasser des benachbarten Tagebaues Jänschwalde fällt nach dessen Schließung ja weg, es müsste Grund- oder Spreewasser gesondert für das Kraftwerk entnommen werden.

Für dieses Projekt Klimaschutzambitionen fallen zu lassen, wäre absurd. Es wäre unverantwortlich, wenn sich die Bundesregierung bei der Umsetzung der Kommissionsempfehlungen mit der Katze im Sack abspeisen ließe.

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