Rundbrief vom 15. März 2019

1. Schülerstreik fürs Klima erstmals in der Lausitz

2. Menschen in Proschim dürfen nicht Verhandlungsmasse in Koalitionsverhandlungen werden

3. Forstarbeiter stirbt durch Tagebaurutschung

4. Kohleausstieg: Der Zeitplan der Bundesregierung

5. Bergbau-Schiedsstelle: Betroffene sollen ihre Beisitzer nicht selbst aufstellen dürfen

6. Sorbisches Parlament besuchte Mühlrose

7. Kirchengemeinde sucht für Ausstellung Bilder von Gubener Seen

8. Wir trauern um Werner Domain

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1. Schülerstreik fürs Klima erstmals in der Lausitz

Wie in vielen Städten weltweit fand heute mittag in Cottbus der erste Schülerstreik für den Klimaschutz statt. Damit ist die „friday for future“-Bewegung auch im Lausitzer Braunkohlerevier angekommen. Nach Angeben der Organisatoren trafen sich etwa 250 Teilnehmer am Stadtbrunnen.

2. Menschen in Proschim dürfen nicht Verhandlungsmasse in Koalitionsverhandlungen werden

Die GRÜNE LIGA begrüßt die Positionierung des brandenburgischen CDU-Landesvorsitzenden Senftleben gegen die Abbaggerung des Dorfes Proschim. Wir fordern von der Landesregierung, die nötige Überarbeitung des Braunkohlenplans Welzow-Süd II noch vor der Landtagswahl zu beschließen. Sonst bleiben SPD und AfD die letzten Verfechter von Zwangsumsiedlungen in Brandenburg.

Es wäre menschenverachtend, wenn Ministerpräsident Woidke (SPD) die Entscheidung hinausschiebt, um die Bewohner von Proschim als Verhandlungsmasse in Koalitionsverhandlungen zu missbrauchen. Genauso wenig darf die Entscheidung über brandenburgische Dörfer den ausländischen Milliardären überlassen werden, denen der LEAG-Konzern gehört.

Die BILD-Zeitung hat den CDU-Landesvorsitzenden am 20. Februar mit den Worten zitiert, die Abbaggerung des Dorfes Proschim sei „nicht mehr nötig. Die Einwohner sollten nicht weiter im Unklaren über ihre Zukunft bleiben." Laut einer Pressemitteilung vom 15. Februar fordert auch die linke Landtagsfraktion „eine schnelle und klare Entscheidung gegen die Abbaggerung von Proschim/ Prožym und von weiteren Teilen der Stadt Welzow.“

Die rot-rote Landesregierung hat 2014 einen Braunkohlenplan zur Abbaggerung Proschims für den Tagebau Welzow-Süd II beschlossen. Es ist jedoch bis heute von der LEAG kein bergrechtlicher Genehmigungsantrag gestellt worden. Damit gibt es keinerlei Ansatzpunkte für angebliche Entschädigungsansprüche, wenn die Politik ihre Entscheidung von 2014 zurücknimmt. Das bestätigte am 13. März auch die Landesregierung selbst in einer Antwort an drei bündnisgrüne Abgeordnete:

„Der Braunkohlenplan entfaltet keine Genehmigungswirkung und begründet keine Ansprüche Dritter, so dass dessen Aufhebung oder Änderung allein nicht zu Entschädigungsansprüchen führt. Entschädigungsansprüche können bestehen, wenn Genehmigungen (z.B. Betriebsplanzulassungen) widerrufen werden.“

Ministerpräsident Woidtke persönlich hatte sowohl in einer Parlamentsdebatte, als auch am 7. März vor dem Braunkohlenausschuss die falsche Behauptung aufgestellt, es würden Milliarden-Entschädigungen drohen, wenn die Landesregierung Proschim erhalten würde.

3. Forstarbeiter stirbt durch Tagebaurutschung

Wie die Lausitzer Rundschau erst am 2. März berichtete, gab es am 29. Januar einen Todesfall durch eine Rutschung in einem Lausitzer Altbergbaugebiet. Ein 53jähriger Harvester-Fahrer aus Sachsen rutschte mit seinem Fahrzeug in einen Restsee und ertrank im eiskalten Wasser. Die Maschine liege noch immer im See. Der Moritzteich ist das Restloch eines um 1920 geschlossenen Braunkohletagebaues. Das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe überprüft nun 80 Restlöcher des Altbergbaus im Muskauer Faltenbogen.

4. Kohleausstieg: Der Zeitplan der Bundesregierung

Der neue Staatssekretär für Energiefragen im Bundeswirtschaftsministerium, Andreas Feicht, hat den Zeitplan für den politischen Prozess rund um den Kohle-Ausstieg konkretisiert. Zu Fragen des Strukturwandels in den betroffenen Regionen und Revieren werde es noch im Frühjahr Eckpunkte geben, sagte Feicht bei einem Besuch im Wirtschaftsausschuss am 13. März. Was den energiewirtschaftlichen Teil betreffe, sollten im Spätherbst Gesetzesentwürfe zum Steinkohle- und zum Braunkohleausstieg erarbeitet sein. Ob die zwei Themen in ein Gesetz gegossen würden, sei noch offen. (Deutscher Bundestag, Parlamentsnachrichten, gekürzt)

5. Bergbau-Schiedsstelle: Betroffene sollen ihre Beisitzer nicht selbst aufstellen dürfen

Die Einrichtung einer Schiedsstelle für Betroffene von Bergschäden in Brandenburg verzögert sich weiter, das Wirtschaftsministerium teilte aber dem Braunkohleausschuss am 7. März erste Details mit. Noch in diesem Jahr soll die Schiedsstelle arbeitsfähig sein. Dazu sollen sowohl für die Bergbauunternehmen als auch für die Betroffenen jeweils Beisitzer benannt werden. Die Unternehmen sollen dabei selbst aussuchen dürfen, wer sie vertritt. Für die Betroffenen soll dagegen der Braunkohlenausschuss des Landes entscheiden.

„Das unwürdige Gezerre um die Einrichtung einer Schiedsstelle scheint zumindest bald ein Ende zu haben“, kommentiert Hannelore Wodtke vom Netzwerk Bergbaugeschädigter der Lausitzer Braunkohleregion. Die Welzowerin ist selbst von Bergschaden betroffen und hat mit anderen Mitstreitern bereits im Jahr 2014 ein Netzwerk gegründet. Ob die Schiedsstelle ein Erfolg wird, hängt maßgeblich davon ab, wer für die Betroffenenseite als Beisitzer ernannt wird, meint Wodtke. "Warum dürfen wir nicht selbst Beisitzer benennen? Wenn Industrielobbyisten, stramme Kohleverfechter oder Vorstandsmitglieder des Pro-Kohle-Vereins über die Beisitzer für die Betroffenenseite mit entscheiden, dann ist meine Hoffnung gering, dass für die Geschädigten etwas Substanzielles rauskommt“, gibt Wodtke zu bedenken. Im rheinischen Kohlerevier, wo es schon lange eine Schiedsstelle gibt, dürfen die Betroffenen selbst ihre Beisitzer aussuchen.

"Die Vorstellung des Sachstandes im Braunkohlenausschuss lässt noch einige Fragen offen, die darüber entscheiden ob die Schlichtungsstelle auch bei den Betroffenen Akzeptanz finden wird. So ist weiter unbekannt wer den Vorsitz der Schlichtungsstelle übernehmen soll. Die Schlichtungsordnung soll bislang nur den Bergbaubetreibern zur Stellungnahme vorgelegt werden - Hier gilt es auch die Betroffenenseite anzuhören." betont Andreas Stahlberg. Kreistagsabgeordneter aus Spree-Neiße und selbst Mitglied des Braunkohlenausschusses.

Nach Auskunft des Ministeriums soll die Schiedsstelle vollständig durch das Land Brandenburg finanziert werden. Antragsberechtigt seien nur Privatpersonen, sowie Klein- und mittelständische Unternehmen. Für diese sei das Schiedsverfahren kostenfrei. Es dürften allerdings nur Fälle behandelt werden, für die noch keine Verjährung eingetreten ist und nur für nicht abgeschlossene Bergschadensanzeigen nach dem 25. März 2014. Die Stelle soll bei der IHK in Cottbus angesiedelt sein, der Vorsitz durch das Wirtschaftsministerium ernannt werden. Ob der Braunkohlenausschuss vor der Sommerpause zu einer Sondersitzung zusammenkommt, um die Beisitzer zu benennen, konnte am 7. März noch nicht geklärt werden. Die nächste reguläre Sitzung findet erst im November dieses Jahres statt. Seit einem Beschluss des Landtages Brandenburg aus dem Jahr 2013 wurde die Einrichtung immer wieder verschleppt.

Nach Bundesbergrecht müssen Betroffene selbst nachweisen, ob es sich bei Schäden an ihren Immobilien um Bergschäden handelt. Entscheiden sich Betroffene zu klagen, droht ihnen vor Gericht eine ungleiche Auseinandersetzung mit einem Großkonzern. Nach massivem Protest aus der Lausitz und Anträgen von den Grünen und der CDU hatte bereits am 3. April 2014 der damalige Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten Ralf Christoffers angekündigt, dass eine Schlichtungsstelle für Betroffene von Schäden durch den Bergbau eingerichtet werde. (Pressemitteilung des Netzwerkes Bergbaugeschädigter in der Lausitz, gekürzt)

6. Sorbisches Parlament besuchte Mühlrose

Am 1. März 2019 traf sich eine Delegation des Serbski sejm mit Betroffenen des Tagebaues Nochten in Mühlrose. Im Gespräch wurde deutlich, dass die Dorfgemeinschaft gespalten ist und nicht alle Bewohner*innen den Ort verlassen möchten. Die Menschen sind verunsichert.

Der Serbski sejm unterstützt diejenigen Einwohner*innen Mühlroses, welche die Belastungen des nahen Tagebaues nicht mehr aushalten dabei, eine neue, ruhige Heimat zu erhalten. Die LEAG sollte diesen Menschen kurzfristig ein Angebot z.B. am neuen Ort in Schleife unterbreiten.

Der Serbski sejm unterstützt besonders die Bleibewilligen: Aufgrund des Kohleausstieges und der steigenden Bedeutung der erneuerbaren Energien nimmt die gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit der Kohleverstromung stetig ab. Eine Enteignung ist weder notwendig noch durchsetzbar. Es gibt noch kein beendetes Beteiligungsverfahren zum Braunkohleplan Sonderfeld Mühlrose. Die LEAG darf die Bleibewilligen daher nicht weiter unter Druck setzen.

Auch muss ein Abriss temporär verlassener Häuser und damit eine Beeinträchtigung des schönen Dorf-Ensembles verhindert werden. Viele Backsteinbauten und sogar ein Schrotholzhaus stehen unter Denkmalschutz. Diese Häuser können nach dem Ende der Braunkohleverstromung wieder Heimat für Menschen sein, die ihre persönlichen Zukunft gerade in einem solch schönen sorbischen Dorf verwirklichen wollen. So, wie einst verloren geglaubte Häuser und Höfe in Schleife jetzt wieder neue Besitzer*innen finden.

Die Sejm-Vertreter*innen bitten die Menschen in Mühlrose, ihre Dorfgemeinschaft nicht unter den Interessen und Entscheidungen des Freistaates Sachsen oder des Bergbaubetreibers leiden zu lassen, denn nicht die Nachbarn oder einige Bewohner*innen aus den Nachbarorten mit vielleicht anderen Lebensplanungen sind Ursache des Problems. (Pressemitteilung, gekürzt)

7. Kirchengemeinde sucht für Ausstellung Bilder von Gubener Seen

181110 klimapilger deulowitzerseeDie Evangelische Kirchengemeinde Region Guben ruft die Bürger auf, Bilder, Postkarten, Dokumente und Erinnerungen zu den Seen der Region einzureichen. Mit den bis zum 30. April eingereichten Material soll eine Ausstellung entstehen, die am 23. Mai, um 18.30 Uhr direkt am Pinnower See (Karpfenschänke) eröffnet wird.

Als im November 2018 die Teilnehmer des Ökumenischen Klimapilgerweges die Region besuchten, hatte die Gemeinde bereits am Ufer des Deulowitzer Sees anschaulich gemacht wie sich das Ufer zwischen 1958 bis 2018 um bis zu 56 Meter zurückgezogen hat. (Hier ein beeindruckendes einminütiges Video dazu)

Da ein Teil des Wasserrückganges in den Seen durch den nahenden Tagebau Jänschwalde verursacht ist, wurde der Tagebaubetreiber zur Einleitung von Wasser in drei Seen verpflichtet. Die Kirchengemeinde hält es jedoch nicht für ausreichend, wenn so lediglich der Wasserstand des Jahres 2010 wiederhergestellt werden soll.

Bis zum 30. April können Bürger die Zeitdokumente in einem verschlossenen Umschlag im Servicecenter der Stadtverwaltung Guben in der Gasstraße 4 oder im Kirchengemeindebüro in der Kirchstraße 2 zu den jeweiligen Öffnungszeiten abgeben. Sie erhalten die Bilder nach Ende der Ausstellung zurück. Es wird gebeten, das Aufnahmejahr auf den Fotos zu notieren.

8. Wir trauern um Werner Domain

Am 4. März starb Werner Domain, der im Jahr 2005 als der letzte Hornoer bundesweit bekannt geworden war. Nach jahrelangem gemeinsamen Widerstand und mehreren Gerichtsverfahren der Gemeinde Horno, die zu Gunsten des Bergbaus ausgegangen waren, hatte sich die Dorfgemeinschaft zur Umsiedlung entschieden.

Nur Familie Domain blieb, ließ es auf die Enteignung ankommen, und klagte dagegen vor Gericht. Vor der Enteignung stand nach damaliger Rechtsprechung einzelnen Betroffenen der Weg zum Gericht nicht offen. Zu diesem Zeitpunkt stand der Vorschnittbagger jedoch bereits 50 Meter vor Werner Domains Haus und der Rest des Dorfes war bereits völlig zerstört. Unter diesem Druck beendete Familie Domain das Gerichtsverfahren schließlich durch einen Vergleich und zog nach Mulknitz bei Forst.

Dieses drastische Beispiel für die Chancenungleichheit zwischen Betroffenen und Konzern trug dazu bei, dass das Bundesverwaltungsgericht in späteren Verfahren die Klagebefugnis der Betroffenen Bürger auch gegen Rahmenbetriebspläne bestätigte. Heute ist klar: die gesamte Umsiedlung der Hornoer wurde von der Brandenburgischen Landesregierung mit Mitteln erzwungen, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Damit haben Werner und Ursula Domain dazu beigetragen, die Rechte Betroffener gegen den Braunkohletagebau zu stärken. Für ihren hartnäckigen Kampf hatte die Grüne Liga Brandenburg vor einigen Jahren Werner und Ursula Domain die Ehrenmitgliedschaft verliehen. Wir wünschen seiner Familie viel Kraft!

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