Rundbrief vom 06. September 2011

1. Gutachten zu Brandenburgs Energiestrategie zugunsten von Braunkohlestrom manipuliert?kohlerundbrief 2011 09 06 bild

2. Hat Vattenfall-Manager seine Doktorarbeit von Gutachterfirmen schreiben lassen?

3. Bedrohte Dörfer schicken Postkarten an Schwedische Reichstagsabgeordnete

4. Wir trauern um Else Kossack

5. Presseartikel: Abgeschrieben?: Plagiatsverdacht bei Vattenfall - PNN (online), 05.09.2011

1. Wurde Gutachten zu Brandenburgs Energiestrategie zugunsten von Braunkohlestrom manipuliert?

Der Umweltverband GRÜNE LIGA fordert vom Brandenburgischen Wirtschaftsminister eine Überarbeitung der Studie zur Energiestrategie und eine öffentliche Debatte zu deren Inhalten. Dies machte der Verband heute in einem Schreiben an den Minister Ralf Christoffers deutlich.

"Das uns vorliegende Gutachten ist an mehreren Stellen zugunsten des Energieträgers Braunkohle manipuliert worden. Wir fordern die Landesregierung auf, das Gutachten zu einer sachlichen Diskussionsgrundlage zu überarbeiten und dann allen gesellschaftlichen Kräften eine angemessene Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen, BEVOR das Kabinett entscheidet." sagt René Schuster, Vertreter der Umweltverbände im Braunkohlenausschuss des Landes Brandenburg. "Fest steht jedoch bereits jetzt, dass das Land bei Neubau eines konventionellen Kohlekraftwerkes am Standort Jänschwalde seine für 2030 festgeschriebenen Klimaziele in einem unverantwortbaren Maße verfehlen würde."

In dem 5seitigen Brief an die beteiligten Ministerien listet die GRÜNE LIGA Mängel des bisher nicht veröffentlichten Gutachtens auf:

- Zahlreiche von der GRÜNEN LIGA und der betroffenen Gemeinde Schenkendöbern im Februar diesen Jahres geforderte Untersuchungen wurden vom MWE nicht beauftragt. Damit wurde versäumt eine umfassende Diskussionsgrundlage zu schaffen. So liegt erneut keine Prognose zu Arbeitsplatzeffekten der künftigen Energiewirtschaft vor, obwohl dieses Argument – ohne jede sachliche Grundlage – immer wieder von der Landesregierung bemüht wird.

- Die Annahmen durchgeführter Berechnungen zu Energieverbrauch und Emissionen des Landes werden im Gutachten nicht offengelegt, was übliche Mindeststandarts verletzt.

- Bei Varianten mit Neubau von Kohlekraftwerken wurden unrealistisch hohe Wirkungsgrade angesetzt. Es drängt sich der Verdacht auf, dass diese Varianten schöngerechnet wurden.

- Das Gutachten enthält zahlreiche tendenziöse Formulierungen zum Energieträger Braunkohle zu Themen, die gar nicht untersucht wurden.

Am 24. August 2011 berichtete das RBB-Fernsehen über das ihm vorliegende Gutachten "Grundlagen für die Energiestrategie 2030 des Landes Brandenburg". Kurz darauf wurde es auch der GRÜNEN LIGA Cottbus anonym zugesandt. Das heutige Schreiben liegt diesem Rundbrief bei. Es wurde den Ministerien am Morgen per e-Mail übermittelt.

2. Hat Vattenfall-Manager seine Doktorarbeit von Gutachterfirmen schreiben lassen?

Im Internet wird nunmehr auch ein Plagiatsverdacht zur Doktorarbeit von Vattenfall-Manager Detlef Dähnert diskutiert. Es spricht viel dafür, dass Dähnert Ergebnisse von Vattenfall beauftragter Gutachterfirmen in seiner Doktorarbeit verwendete, ohne das kenntlich zu machen. Er hat seine Position als Auftraggeber damit möglicherweise ähnlich mißbraucht, wie Karl-Theodor zu Guttenberg den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. Zudem wurden Passagen aus einem Braunkohlenplan-Entwurf der Landesbehörden ohne Quellenangabe übernommen. Dies und eine Reihe weiterer Kritikpunkte rückt die ohnehin erstaunlich knapp gehaltene Arbeit in ein fragwürdiges Licht. Die Arbeit "Bewältigung technischer und sozialer Probleme bei der Konzeption von Umsiedlungen" beschäftigt sich mit der Umsiedlung des Lausitzer Dorfes Haidemühl, für die D. Dähnert als Abteilungsleiter des Bergbaukonzerns zuständig war. Sie ist lediglich 121 Seiten stark, von denen 4 leer und die restlichen in großem Zeilenabstand gehalten sind. Die Kritikpunkte entstammen dem beiliegenden im Internet veröffentlichten Plagiatsverdacht. Dähnerts Aufgabe bei Vattenfall ist es, die Umsiedlung von Dörfern für Braunkohletagebaue und die Verpressung von Kohlendioxid gegen alle Widerstände durchzusetzen.

3. Bedrohte Dörfer schicken Postkarten an Schwedische Reichstagsabgeordnete

Bürger der von Umsiedlung bedrohter Dörfer sandten am Freitag (2. September) Postkarten an allekohlerundbrief 2011 09 06 bild Mitglieder des Schwedischen Reichstages, sowie an das Königshaus und die Regierung. Die fordern darauf eindringlich, das die schwedischen Entscheidungsträger ihr Staatsunternehmen Vattenfall stoppen und statt der Zerstörung der Lausitzer Dörfer in zukunftsfähige Energien investieren. Die Aktion wurde von der Landtagsabgeordneten Monika Schulz-Höpfner aus Atterwasch initiiert. Das Motiv der Postkarte liegt diesem Rundbrief bei.

4. Wir trauern um Else Kossack

Am Sonntag starb im Alter von 88 Jahren Else Kossack aus Lacoma. Sie stand seit den 1980er Jahren wie keine andere für den Widerstand gegen die Zerstörung des Dorfes und der Lacomaer Teichlandschaft. Bereits in der DDR weigerte sie sich standhaft, Haus und Hof an den Bergbaubetrieb zu verkaufen und blieb mit Unterstützung ihrer Familie auch nach der politischen Wende stets Teil der Widerstandsbewegung. Wer in Lacoma lebte oder regelmäßig als Unterstützer im Ort war, hat sie aber auch als immer freundliche und hilfsbereite Nachbarin in bleibender Erinnerung. Die Zerstörung fast des gesamten Dorfes machte dieser Nachbarschaft ein unfreiwilliges Ende. Kurz nachdem Vattenfall den direkt benachbarten Hof abreißen ließ, wurde Else Kossack durch einen Schlaganfall pflegebedürftig. Die letzten Jahre konnte sie dank der aufopfernden Pflege ihrer Familie zurückgezogen in dem Haus verbringen, für dessen Erhalt sie so lange gekämpft hat.

5. Presseartikel:

http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/574407/

Abgeschrieben?: Plagiatsverdacht bei Vattenfall - PNN (online), 05.09.2011

von Alexander Fröhlich

Der für Umsiedlungen von Dörfern in Südbrandenburg zuständige Manager soll bei seiner Doktorarbeit abgeschrieben haben – der aber bestreitet das.

Potsdam/Cottbus - Gegen den für die Umsiedlung von Lausitzer Dörfern für neue Braunkohletagebaue und das CCS-Projekt zur Kohlendioxid-Speicherung zuständigen Chef des Energiekonzerns Vattenfall, Detlev Dähnert, werden Plagiatsvorwürfe erhoben. Nach den auf den Internetplattformen Vroniplag und Vattenplag veröffentlichten Details soll Dähnert bei seiner 1999 vorgelegten Doktorarbeit mit dem Titel „Bewältigung technischer und sozialer Probleme bei der Konzeption von Umsiedlungen“ große Teile nicht selbst verfasst, sondern abgeschrieben haben. „Es stellt sich die Frage, ob überhaupt eine über die dienstliche Bearbeitung der Umsiedlung hinausgehende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik stattgefunden hat“, stellen die Plagiatsjäger fest.

Die Leitung der BTU nimmt „diese Sache“ sehr ernst und will die Vorwürfe prüfen, wie eine Sprecherin den PNN sagte. Dähnert selbst war am Montag nicht zu erreichen, er ist derzeit im Urlaub. Ein Vattenfall-Sprecher sagte auf Anfrage, Dähnerts mit befriedigend bewertete Doktorarbeit sei im Rahmen seiner praktischen Tätigkeit entstanden. Der Bergbauplaner stehe wissenschaftlich weiter dazu. „Mittlerweile ist die Ausarbeitung gute Praxis in der Region“, sagte der Sprecher. „Die Vorwürfe erscheinen uns relativ bemüht.“

Dähnert ist in der Braunkohle-Branche und den Forschungseinrichtungen gut vernetzt. Er ist zudem Vorstand in der Vattenfall-nahen Stiftung Lausitzer Braunkohle. Seit 2005 unterrichtet er an der Fachhochschule Lausitz als Honorarprofessor. Deren Präsident, Günter H. Schulz, sagte den PNN, er sei überrascht von den Plagiatsvorwürfen. Die Fachhochschule habe mit Dähnert gerade bei Forschungsvorhaben zu Umsiedlungen gut zusammengearbeitet und „viele hochgradig erfolgreiche Projekte auf den Weg gebracht“. Der Vattenfall-Manager habe „anerkannte wissenschaftliche Arbeit geleistet“. Nun müsse die BTU die Plagiatsvorwürfe prüfen, erst dann stelle sich für die FH Lausitz die Frage, wie mit dem Fall umzugehen sei. Dähnert sei für die Hochschule auch der Ansprechpartner für ein neues Forschungsprojekt zu neuen regionalen Stromnetzen.

Für einige BTU-Wissenschaftler dagegen kamen die neuen Vorwürfe nicht überraschend. In Kreisen wissenschaftlicher Mitarbeiter ist Dähnerts Doktorarbeit bereits seit Jahren Gesprächsthema, auch weil sie mit 121 Seiten ungewöhnlich kurz ausfällt. „Wir wussten alle, dass ihm ein Doktortitel besorgt werden sollte, weil er in der Braunkohle noch etwas werden sollte“, sagte eine Forscherin den PNN.

Der bei Vattenfall für Bergplanung zuständige Ingenieur war 2005 auch für die umstrittene und hart umkämpfte Abbaggerung des Dorfes Horno verantwortlich. Bereits beim Vattenfall-Vorgänger Lausitzer Braunkohlen AG (Laubag) war er mit Umsiedlungen befasst, darunter auch mit der Gemeinde Haidemühl. Der Ort musste für den Tagebau Welzow-Süd weichen und wurde 2006 aufgelöst. Die Doktorarbeit entstand zwischen 1994 und 1999, als Dähnert Leiter der Hauptabteilung für Umsiedlungen bei der Laubag war. In seiner Arbeit soll er nach Angaben der Plagiatsjäger den Eindruck erwecken, Autor einer Befragung und Bestandserhebung im Fall Haidemühl zu sein, obwohl dies damals von einem Marktforschungsinstitut vorgenommen wurde. Die Doktorarbeit habe zahlreiche weitere Passagen des „Sozialen Anforderungsprofils“ wörtlich übernommen, aber nicht als Quelle benannt. Längere Passagen stammten zudem aus einem Entwurf zum Braunkohleplan Tagebau Welzow-Süd aus dem Jahr 1999. Bei einer Reihe nur mit Autor und Jahreszahl angegebener Quellen fehle die vollständige Angabe im Quellenverzeichnis.

Brisant ist zudem: Derzeit läuft für die Erweiterung von Welzow-Süd das Planverfahren. Es gibt massiven Protest von betroffenen Anwohnern, denn bis zum Jahr 2020 sollen rund 810 der 4000 Einwohner von Welzow umgesiedelt und ein Wohngebiet sowie der Ortsteil Proschim abgebaggert werden. Zuständig dafür ist Dähnert. 2025 sollen dann die Kohlebagger dieses Gebiet erreichen. Die Braunkohle soll im Kraftwerk Schwarze Pumpe verheizt werden.