Kohlerundbrief vom 18. Februar 2019

1. LEAG will Mühlrose umsiedeln – Wer bleiben will, hat Chancen

2. NRW will kurzfristig weniger Kraftwerke abschalten – muss jetzt doch die Lausitz liefern?

3. Strengere Grenzwerte: Kraftwerksbetreiber und Freistaat Sachsen scheitern vor Europäischem Gericht

4. Weitere Umsiedlungen wegen fehlender Standsicherheit in Lauchhammer

5. GRÜNE LIGA diskutiert auf Bundesmitgliederversammlung zur Braunkohle

6. Lausitzer fahren auch zum Sternmarsch der Dörfer ins Rheinland

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1. LEAG will Mühlrose umsiedeln – Wer bleiben will, hat Chancen

Der Tagebau Nochten soll ein weiteres sorbisches Dorf fressen: Am 14. Februar gab die LEAG bekannt, dass sie sich zur Umsiedlung von Mühlrose bekenne. Doch die Situation in Mühlrose/Miłoraz ist anders als in den meisten umsiedlungsbedrohten Orten. Mit dem Revierkonzept der LEAG wurde im März 2017 die Umsiedlung von Rohne und Mulkwitz aufgegeben und Nochten 2 verkleinert auf das „Sonderfeld Mühlrose“. Die Kosten einer Umsiedlung der offiziell 200 Einwohner wurden von der LEAG lange gescheut und der ausgearbeitete Umsiedlungsvertrag mehrfach vom Unternehmen (!) nicht unterzeichnet. Zuletzt mit Verweis auf die Kohlekommission.

Belastungen durch laufenden Tagebau

lageskizze muehlroseEin großer Teil der Einwohner fordert die Umsiedlung sogar öffentlich ein. Doch die Begründung ist ganz und gar kein Plädoyer für zusätzliche Kohleförderung. In einer Petition an den sächsischen Landtag vom Januar 2019 wird auf die nur 250 Meter Abstand zum Tagebau Nochten 1 verwiesen, auf die Lärm- und Staubbelastung und die Angst vor späteren Rutschungen. Mühlrose liegt auf einer Halbinsel im Tagebau, musste ihn vor Jahrzehnten im Südwesten ertragen, jetzt nähert er sich von Osten erneut. „Dass man den Bewohnern eines Ortes über einen Zeitraum von 50 Jahren derart massive Beeinträchtigungen zumutet, ist mit unserem Rechtsverständnis nicht vereinbar“ schreiben die um-siedlungswilligen Bürger in ihrer Petition.

Wer bleiben will, kann nicht zur Umsiedlung gezwungen werden

Doch es gibt auch Menschen die bleiben wollen und nicht einsehen, dass sie von der einen Seite des großen Loches an die andere ziehen sollen. Wichtig zu wissen ist, dass der jetzt angekündigte Abschluss eines Umsiedlungsvertrages zunächst einmal nur freiwillige Umsiedlungen ermöglicht. Wer bleiben will und keinen privaten Umsiedlungsvertrag unterzeichnet, kann durch den Rahmenvertrag auch nicht dazu gezwungen werden. Das Druckmittel der Enteignung (bergrechtlichen Grundabtretung) stünde der LEAG nämlich erst nach bergrechtlicher Genehmigung des „Sonderfeldes Mühlrose“ zur Verfügung. Doch ein genehmigter Betriebsplan liegt noch in weiter Ferne: Der Antrag darauf muss nach der Verkleinerung von Nochten 2 abgeändert werden. Es wird immer unwahrscheinlicher, dass die Genehmigung eines zusätzlichen Abbaugebietes nach 2019 noch gegen Klimaschutzbelange durchgesetzt werden kann.

Verkleinerung von Nochten 1 nötig

Im Gegenteil: Wenn Klimaschutz ernst genommen wird, muss auch in der Lausitz über die Verkleinerung bereits genehmigter Tagebaue diskutiert werden. Mehrere Gutachten beziffern bereits Kohlemengen, die bei rechtzeitigem Abschalten der Kraftwerke nicht mehr benötigt werden. Das Bündnis „Strukturwandel jetzt – kein Nochten 2“ hat im Herbst 2017 die Forderung formuliert, dass der Tagebau Nochten 1 vor der Mühlroser Straße stoppen muss, um die Lebensqualität in Rohne und Mulkwitz nicht zu zerstören. Sollte das erreicht werden, wäre es auch ein Gewinn für die Lebensqualität derjenigen, die in Mühlrose bleiben möchten. (Foto: symbolische Rote Linie an der Mühlroser Straße, April 2018, Karte: Unterlagen zum Braunkohlenplanverfahren, 2017)

2. NRW will kurzfristig weniger Kraftwerke abschalten – muss jetzt doch die Lausitz liefern?

Wie die Süddeutsche Zeitung vom 13. Februar berichtet, will die nordrhein-westfälische Landesregierung möglicherweise weniger Braunkohlekraftwerke kurzfristig stilllegen, als von der Kohlekommission vorgesehen. Statt der von der Kommission empfohlenen zusätzlichen Abschaltungen von 3,1 Gigawatt bis 2022 sollen es nach einer Unterrichtung des Wirtschaftsministers an den Wirtschaftsausschuss des Landtages nur 2,4 Gigawatt sein. Soll das Kommissionsergebnis trotzdem umgesetzt werden, müssten folgerichtig 700 Megawatt in einem anderen deutschen Braunkohlenrevier abgeschaltet werden. In jedem Fall ist das ein Affront gegen die Kohlekommission, die zuletzt (zu?) viel Mühe auf die Abstimmung mit den Braunkohleländern verwandte.

3. Strengere Grenzwerte: Kraftwerksbetreiber und Freistaat Sachsen scheitern vor Europäischem Gericht

Erst nach zwei Monaten wurde öffentlich bekannt, dass am 13.12.2018 das Europäische Gericht die Klage mehrerer Kohlekraftwerksbetreiber (darunter die LEAG) und der sächsischen Staatsregierung gegen die Verschärfung der Luftschadstoff-Grenzwerte abgewiesen hat.

Die 2017 von der EU verschärften Bandbreiten für Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen für Stickoxide und Quecksilber (LCP BREF) waren trotz Enthaltung Deutschlands beschlossen worden, Braunkohlenunternehmen reichten Klage ein und die sächsische Staatsregierung schloss sich an.

Die Klage wurde vom Gericht nun jedoch als unzulässig zurückgewiesen. Die klagenden Unternehmen seien von der EU-Regelung nicht direkt betroffen, sondern erst von deren nationaler Umsetzung. Mit dieser ist die Bundesregierung im Verzug. Eine Verordnung hätte im August 2018 in Kraft treten müssen, es wurde aber offenbar auf das Ergebnis der Klage gewartet. Nun stellte das Bundesumweltministerium einen ersten Entwurf für Sommer 2019 in Aussicht.

Die Kohlekommission hat von dem Urteil nicht erfahren, das zwischen der vorletzten und der letzten Plenumssitzung fiel und so geht der Kommissionsbericht auf Seite 25 noch von anhängigen Gerichtsverfahren aus. Dabei war in allen Kommissionssitzungen die sächsische Staatsregierung vertreten, die als Prozessbeteiligter ja von der Klageabweisung gewusst haben muss. Sie hat dieses Wissen der Kommission offensichtlich vorenthalten.

LCP-BREV betrifft insgesamt 600 Anlagen in Deutschland. Viele Kohlekraftwerke stellt es vor die Entscheidung zwischen Nachrüstung und Stilllegung, um die strengeren Werte bis August 2021 einzuhalten.

Allerdings können bis zum 25.02. noch Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werden, berichtet bizz-energy.com.

4. Weitere Umsiedlungen wegen fehlender Standsicherheit in Lauchhammer

Vor Jahren machte die Grubenteichsiedlung in Lauchhammer Schlagzeilen: Wegen fehlender Standsicherheit wurden die vor Jahrzehnten auf einer Tagebaukippe errichteten Häuser durch die Sanierungsgesellschaft LMBV umgesiedelt. Jetzt sind weitere vier Familien und zwei Gewerbebetriebe mit etwa 100 Beschäftigten an der Wilhelm-Külz-Straße betroffen. Das berichtete die Lausitzer Rundschau am 9. Februar. Ein Rentner-Ehepaar musste sofort ausziehen, die anderen haben bis 2022 Zeit. Zahlreiche weitere Bereiche im Stadtgebiet von Lauchhammer sind offenbar noch nicht abschließend bewertet, so dass weitere Umsiedlungen nicht ausgeschlossen sind. Der Abbau der Kohle, der diese Probleme verursacht, liegt teilweise 100 Jahre zurück.

5. GRÜNE LIGA diskutiert auf Bundesmitgliederversammlung zur Braunkohle

Auf ihrer Bundesmitgliederversammlung am 23. März wird die GRÜNE LIGA über eine Positionsbestimmung zwischen Kohlekommission und Gesetzgebungsverfahren diskutieren. Der Bundessprecherrat hat eine entsprechende Tagesordnung beschlossen. Der (langfristig reservierte) Termin fällt mit dem Sternmarsch der Dörfer im Rheinischen Revier zusammen.

6. Lausitzer fahren auch zum Sternmarsch der Dörfer ins Rheinland

Am gleichen Tag nimmt auch eine Delegation Lausitzer Tagebaubetroffener am Sternmarsch im Rheinland teil. Die Umweltgruppe Cottbus unterstützt die Fahrt finanziell und organisatorisch.

Der Rundbrief als pdf