Rundbrief vom 05. August 2013

1. Bergbaubetroffene befragen Lausitzerkohlerundbrief 2013 08 05 bild
Bundestagskandidaten
2. Kohle-Platzeck geht, Kohle-Woidke kommt
3. Vattenfall strukturiert mal wieder um, Speku-
lationen um Verkauf der Braunkohle-Sparte
4. Dritte Ausgabe von "Nochten heute" erschienen
5. Interview-Projekt von graswurzel-tv zur
Braunkohle veröffentlicht
6. "Kohle-Siggi" in der Kritik
7. Du wirst abgebaggert und ich bin dafür
8. Dorf- und Erntefeste beiderseits der Neiße
gefeiert
9. Brandenburgs Landesverwaltung kauft
zweifelhaften Ökostrom
10. Investitionsbank finanziert keine
Kohlekraftwerke mehr
11. Leserbrief zur Tagebau-Rekultivierung von
Herman Graf von Pückler
12. Auch das gibts: Proteste gegen die Sanierung des Silbersees
13. Badegäste in Tagebausee von klebrigen Ablagerungen geplagt

1. Bergbaubetroffene befragen Lausitzer Bundestagskandidaten

Mehrere Initiativen vom Braunkohlentagebau betroffener Bürger aus der Lausitz haben zehn gemeinsame Fragen an die Bundestags-Direktkandidaten der Region formuliert. "In der nächsten Legislaturperiode besteht die Möglichkeit, das Bundesberggesetz zu novellieren und dabei die Rechte der Betroffenen zu stärken." heißt es in dem Schreiben. Solche Änderungen könnten beispielsweise die Rechtsposition am Rand des Tagebaues beeinträchtigter Dörfer, die Finanzierung jahrzehntelanger Folgeschäden des Bergbaus sowie die Enteignungsregelungen des Gesetzes betreffen. Von den Kandidaten der Kohleregion erwarten die Initiativen eine konkrete Positionierung zu solchen Themen. Auch nach ihrer Sicht auf die aktuelle Situation des Vattenfall-Konzerns in der Lausitz werden die Kandidaten befragt.
Der Wortlaut des Briefes liegt bei. Er wurde an die Direktkandidaten der Wahlkreise 64 (Cottbus / Landkreis Spree-Neiße) und 157 (Landkreis Görlitz) versandt, in denen der überwiegende Anteil des aktiven Bergbaus in der Lausitz stattfindet. Die Fragen wurden gemeinsam gestellt vom Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit der Agenda 21 der Gemeinde Schenkendöbern, der Allianz für Welzow, der Klinger Runde, dem Lebenswerte Lausitz e.V., dem Pro Heimat e.V., dem Bündnis "Strukturwandel jetzt - kein Nochten II" aus Nordsachsen sowie der Umweltgruppe Cottbus e.V.

2. Kohle-Platzeck geht, Kohle-Woidke kommt

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck tritt zum Ende August 2013 aus gesundheitlichen Gründen zurück, wie er am 29. Juli mitteilte. Die Kontinuität von Platzecks Kohle-Lobbyismus ist dabei gesichert: Mit Dietmar Woidke folgt ihm ein ehemaliger Vorsitzender des Brandenburgischen Braunkohlenausschusses auf den Thron, der dort maßgeblich mithalf, die Zerstörung von Horno und Lacoma durchzusetzen. Nur kurzzeitig war Woidke als Miister wegen der Kohle in Bedrängnis, als 2007 eine Studie der Landesregierung die Abbaggerung von Forst-Hauptfeld empfahl: Auch Woidkes Heimatdorf müsste für diesen Tagebau zerstört werden. Die Landesregierung setzte damals schnell andere Dörfer auf ihre Todesliste und Woidkes politische Karriere konnte ohne Interessenkonflikte weitergehen.

3. Vattenfall strukturiert mal wieder um, Spekulationen um Verkauf der Braunkohle-Sparte

Deutliche Worte fand der Vattenfall-Konzern in einer Pressemitteilung vom 23.Juli: "Wie auch andere europäische Energieversorger ist Vattenfall von zunehmend trüben Marktaussichten betroffen. Das Unternehmen geht davon aus, dass sich der Markt in absehbarer Zukunft nicht erholen wird."
Die Schlussfolgerung ist eine weitere Umstrukturierung des Konzerns. Waren in den vergangenen Jahren gerade erst alle Strukturen zentraler in Stockholm gebündelt worden, wird nun wieder geteilt: Skandinavien und Kontinentaleuropa sollen getrennt agieren, Chef der letzteren Einheit bleibt der Finne Hatakka.
"Vattenfall hat einen Einstellungsstopp verhängt und zudem den Einsatz externer Berater erheblich eingeschränkt." Das bisherige Sparprogramm, das bislang auf 170 Millionen Euro pro Jahr begrenzt war, wurde auf 285 Millionen Euro Einsparungen im Jahr erhöht. (Laut Hamburger Abendblatt, Vattenfall selbst gibt sein Sparziel in schwedischen Kronen an) Bereits im letzten Rundbrief hatten wir darauf hingewiesen, dass man diese Einsparungen natürlich in den Abbau von direkten, indirekten und induzierten Arbeitsplätzen umrechnen kann.
Von Presse und Beobachtern wird die Teilung als Vorbereitung für einen Verkauf des zentraleuropäischen Geschäftes gesehen, was von Vattenfall zumindest nicht klar dementiert wird.
Die sächsischen Grünen forderten deshalb von Ministerpräsident Tillich ein Moratorium für die Tagebauplanung. Ihr energiepolitischer Sprecher Johannes Lichdi erklärte: "Für Nochten II fehlt es damit an der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit. Eine Weiterführung der Pläne zur Vertreibung der Menschen, nur um Vattenfall einen höheren Verkaufserlös zu ermöglichen, ist pervers."

4. Dritte Ausgabe von "Nochten heute" erschienen

"Nochten heute", die Zeitschrift des Bündnisses "Strukturwandel jetzt - kein Nochten II" ist nun in einer dritten Ausgabe erschienen.
Das Heft enthält Berichte von der Sitzung des Braunkohlenausschusses am 4. Juni in Bautzen und von der Versammlung des Planungsverbandes am 1. Juli in Hoyerswerda. In Gastbeiträgen kommen Rudi Krautz aus Rohne, Hannelore Wodtke aus Welzow, Torsten Kohl und Norbert Rost aus Dresden und der parteilose Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic zu Wort. Tilmann Schwenke, Landesvorsitzender der Naturfreunde Sachsen und SPD-Mitglied schreibt in seinem Gastbeitrag:
"Braunkohle ist für mich keine Brücken-, sondern eine Krückentechnologie. Krücken braucht man, wenn man krank ist und schnell wieder ohne fremde Hilfe auf eigenen Beinen stehen und laufen will. Am besten, man legt sie so schnell wie möglich ab, denn sonst braucht man sie ewig. Man gewöhnt sich an sie."
Den Diskussionsbeitrag von Adrian Rinnert "Du wirst abgebaggert und ich bin dafür" nehmen wir mit freundlichem Einverständnis der Nochten heute - Redaktion in unseren Rundbrief auf.
Zum download des Heftes: http://www.strukturwandel-jetzt.de/de/nochten-heute/39-03-2013

5. Interview-Projekt von graswurzel-tv zur Lausitzer Braunkohle veröffentlicht

Ein ganzes Jahr lang interviewte ein Team von graswurzel-tv betroffene Bürger und engagierte Kritiker der Braunkohle in der Lausitz. Aus den sehenswerten Interviews entstand nun die Seite
www.braunkohle-tagebau.de
Sie wurde am 19. Juli auf dem Klima-Camp in Proschim der Öffentlichkeit vorgestellt.

6. "Kohle-Siggi" in der Kritik

Flankiert von Ulrich Freese und Wolfgang Rupieper ließ sich SPD-Chef Sigmar Gabriel im Juli dabei ablichten, wie er sich auf der Unterschriftenliste des Pro Lausitzer Braunkohle Vereins eintrug. Er fordert damit die Zerstörung von Proschim, ohne das Dorf jemals gesehen zu haben. Entsprechend scharf fielen die Reaktionen der Kohlekritiker aus: „Es ist ein Skandal erster Güte wenn sich der Vorsitzende einer Volkspartei dermaßen auf die Seite eines Konzerns schlägt und sich für Abbaggerung, Enteignung und Zwangsumsiedlung hunderter Bürger aus der Lausitz einsetzt“, sagte der Sprecher der Initiative „Dorf-Kohle-Umwelt“ Günter Jurischka aus Proschim (Stadt Welzow). Jurischka bezeichnete die Unterschrift Gabriels für die Braunkohlelobbyisten zudem als „Anschlag auf den Mittelstand“. Nach Plänen von Vattenfall sollen über 800 Menschen ihre Heimat, Haus und Hof verlieren um Platz für einen neuen Tagebau zu machen. Auch soll ein lokaler Firmenverbund mit fast 100 Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft und im Bereich Erneuerbare Energien weichen damit der schwedische Staatskonzern Vattenfall Braunkohle abbauen kann. Die Brandenburger Grünen in Brandenburg reagierten mit einem offenen Brief, in dem es heißt „Ihr Patenkind Eisbär Knut dreht sich im Grabe um, wenn er sieht, wie Sie den Klimakiller Braunkohle hofieren“.

7. Du wirst abgebaggert und ich bin dafür - Kommentar von Adrian Rinnert

Schon früh wird jedem Menschen beigebracht, dass er für sich selbst entscheiden muss, wie er sich die Gestaltung seines Lebens vorstellt - vorausgesetzt er schadet damit keiner anderen Person. Das ist eines der höchsten Rechte unserer Gesellschaft. Es bildet die Grundlage für die Entscheidungsfindung in einer Demokratie.
Mein Nachbar muss sich also keine Sorgen machen, wenn ich ihn zur Abtretung seines Hofes samt Haus auffordere. Das hat zwei Gründe: Erstens ist sein Eigentum geschützt und zweitens ist seine Meinung geschützt, auch wenn sie von meiner Meinung abweicht.
Warum scheint dieses Prinzip in der Gemeinde Schleife außer Kraft gesetzt zu sein?
Ein Mensch, der Haus und Hof und seine gewohnte Lebensweise behalten will, wird hier als Tagebaugegner bezeichnet. Das ist zwar nicht ganz falsch, zäumt aber das Pferd von hinten auf: Einzig das neue Tagebaufeld ist GEGEN etwas. Es ist gegen das Grundrecht von über 1500 Menschen, ihr Leben so zu gestalten und weiterzuführen, wie sie es bis zur Antragstellung des neuen Tagebaufeldes getan haben. So, wie sie es für die Zukunft geplant hatten, in ihrer Heimat, auf ihrem Grund und Boden, in ihren Häusern.
Doch das neue Tagebaufeld verursacht ein weiteres Problem: Bei der derzeitigen Herangehensweise im Planungsverfahren, erwachsen nicht dem Verursacher (dem Tagebaubetreibenden) Probleme mit dem Tagebau, sondern demjenigen, der ihm weichen soll. Alle persönlichen Einschränkungen werden zu „seinem“ Problem.
Das Leben in den betroffenen Dörfern ist schwer: Besonders für diejenigen, die versuchen, eine Entscheidung zu finden und mit ihr zu leben. Slogans wie „Deine Stimme für die Lausitz“ vermitteln jedem, der vom Tagebau betroffen ist und sich ungerecht behandelt fühlt, er wäre gegen die Lausitz - obwohl doch sein Teil der Lausitz abgebaggert werden soll. Und mit Bussen herangefahrene, für diesen Tag bezahlt beurlaubte Demonstranten sollen ihm zeigen, dass er einer der Wenigen ist, die dem Interesse der Mehrheit entgegen stehen.
Äußern die Betroffenen hingegen öffentlich ihre Meinung, wird ihnen unterstellt, sie kämen von außerhalb oder seien nicht gefragt worden. Auch unterstellt man ihnen Unsachlichkeit und Realitätsverlust.
Damit wird die Aufhebung ihrer Grundrechte und ihre Meinung dazu für das dubiose „Wohl der Allgemeinheit“ als unbedeutend erklärt.
Warum soll Betroffenen das Gefühl der Unbedeutsamkeit vermittelt und ihr Stellenwert als „Schutzgut Mensch“ klein geredet werden? Wer hat einen Nutzen davon, wenn Grundrechte außer Kraft gesetzt sind?
Sollte damit letztendlich etwa eine sachliche und demokratische Diskussion auf Augenhöhe verhindert werden? (aus "Nochten heute" 3/2013)

8. Dorf- und Erntefeste beiderseits der Neiße gefeiert

Am 3. August feierten die Bürgerinnen und Bürger dies- und jenseits der Neiße gemeinsam bei Kohlerundbrief 2013 08 05 Bild1den Erntefesten im deutschen Taubendorf und im polnischen Wielotów. Die gemeinsame Grenze sowie die Bedrohung durch neue Tagebauplanungen in beiden Ländern hat die Zusammenarbeit der Kommunen und Bürgerinitiativen intensiviert. So gab es im polnischen Wielotów einen deutschen Kulturbeitrag, in Taubendorf einen polnischen Beitrag. Mit Unterstützung der Gemeinde Schenkendöbern wurde zudem ein kostenloser Busshuttle zwischen beiden Orten angeboten. Zahlreiche Gäste unterzeichneten am Rande der Veranstaltungen Einwendungen gegen den Braunkohlenplan Welzow II, darunter der Bürgermeister von Schenkendöbern, Peter Jeschke (CDU). Die Bürgerinitiative in Wielotów erhielt ein gelbes Kreuz als Symbol des Widerstandes überreicht.
„In Deutschland hat sich gezeigt, dass es zu umweltpolitischen Veränderungen nur durch den Protest aus der Bevölkerung kommt“ so der Sprecher der „Klinger Runde“ Thomas Burchardt, „von daher ist eine große Beteiligung an den Einwendungen gegen den Tagebauplan Welzow II unbedingt notwendig“ so Burchardt weiter.
„Es ist für uns selbstverständlich die deutschen Bürgerinnen und Bürger gegen die Tagebauplanungen zu unterstützen“ so die Vertreterin der polnischen Bürgerinitiative Dorota Schewior, „denn es hilft auch uns, wenn es Deutschland gelingt, auf die Braunkohle zu verzichten.“ (Fotos: Klinger Runde)

9. Brandenburgs Landesverwaltung kauft zweifelhaften Ökostrom

Wie Anfang Juli von der Landesregierung mitgeteilt wurde, beziehen Brandenburgs Behörden ab 2014 ausschließlich Ökostrom. Doch der Strom der Stadtwerke Potsdam und Cottbus kann die üblichen Label für grünen Strom gar nicht vorweisen. Ein Artikel auf klimaretter.info setzt sich kritisch mit der "symbolischen Energiewende in Brandenburg" auseinander:
http://www.klimaretter.info/energie/nachricht/14084

10. Investitionsbank finanziert keine Kohlekraftwerke mehr

Wie die EU-Koordination des Deutsche Naturschutzrings mitteilt, finanziert die Europäische Investitionsbank (EIB) in der EU künftig keine Kohlekraftwerke mehr. Alle Kraftwerke mit CO2-Emissionen von über 550 Gramm pro Kilowattstunde gehen leer aus:
http://www.eu-koordination.de/umweltnews/news/klima-energie/2226-keine-kohle-fuer-kohle

11. Leserbrief zur Tagebau-Rekultivierung von Herman Graf von Pückler

Nach einem Artikel der Lausitzer Rundschau zum Konflikt zwischen Tagebau und Landwirtschaft hat sich Herman Graf von Pückler in einem Leserbrief an die Zeitung gewandt, der hier veröffentlicht ist:
http://www.lr-online.de/meinungen/leserbriefe/art205836,4274464

12. Auch das gibts: Proteste gegen die Sanierung des Silbersees

Nicht jeder will die vom Bergbau verursachten Langzeitgefahren wahrhaben: Am Silbersee (ein ehemaliger Tagebau) bei Hoyerswerda bildete sich eine Bürgerinitiative, die den Stop der Sanierungsarbeiten der bundeseigene Gesellschaft LMBV erreichen will. Der Grund ist die Sperrung der bereits seit Jahrzehnten touristisch genutzter Uferbereiche, unter der die entsprechenden Unternehmen leiden. Ob es hilft, die vom Bergamt gesehenen Gefahren einfach zu leugnen, dürfte aber fraglich sein. Hier ein Bericht aus der Lokalpresse:
http://www.hoyerswerdsche.de/index.php/nachrichten-lesen/items/knappensee-rebellen-fordern-sanierungs-stopp.html

13. Badegäste in Tagebausee von klebrigen Ablagerungen geplagt

Vor einigen Wochen gab es Beschwerden am Gräbendorfer See, einem ehemaligen Tagebau. Bei bestimmten Wetterlagen bemerkten Besucher nach dem Baden klebrige grünlich-bräunliche Ablagerungen vor allem auf Körperbehaarung, die sich kaum entfernen ließen. Erste Untersuchungen vermuten, dass es sich um "Konglomerate aus Plankton, Eisen- und Kohlepartikeln und Körperschutzmitteln" handelt. Offenbar hat der Eintrag von Eisen in den See zugenommen und begünstigt die Bildung solcher Ablagerungen. Die für die Verwaltung der ehemaligen DDR-Tagebaue verantwortliche LMBV soll sich aber für nicht zuständig erklärt haben. Und künftige Tagebauseen? Dort sind Probleme sowieso per Regierungsbeschluss unmöglich...