Rundbrief vom 11. September 2014

1. Frontal21 zur Braunkohle in der Lausitz
2. Alle Parteien in Schweden gegen Braunkohle
3. Vertreter der sorbischen Minderheit fordern von Schweden Braunkohle-Ausstieg
4. Strafanzeige gegen Vattenfall wegen Gewässerverschmutzung
5. Zweifelhaftes Rechtsgutachten des Landtages entkräftet
6. Braunkohlenplan Welzow II im Verordnungsblatt veröffentlicht
7. Wirtschaftsforscher von Hirschhausen diskutierte in Proschim
8. Bürgerinitiative gegen Probleme bei Flutung des Tagebaus Cottbus-Nord gegründet
9. OB-Wahl in Cottbus am 14. September
10. Märkische Heide 2014 - „Weh dir, oh Brandenburger Land“
11. Wir trauern um Peter Rocha

1. Frontal21 zur Braunkohle in der Lausitz

Das ZDF berichtet in der Sendung „frontal21“ vom 9. September ausführlich zum Braunkohle-Konflikt vor den brandenburgischen und schwedischen Wahlen an diesem Sonntag:
http://www.zdf.de/frontal-21/braunkohle-tagebau-in-der-lausitz-34877390.html

2. Alle Parteien in Schweden gegen Braunkohle

Wie zuerst die Zeitung „The Guardian“ berichtete, haben am vergangenen Mittwoch die Spitzen der acht großen schwedischen Parteien in einer Fernsehdebatte auf die Frage, ob sie nach der Wahl am 14. September Vattenfall den Ausbau von Kohlekraft in Deutschland verbieten wollen, einheitlich mit „ja“ geantwortet, indem sie eine grüne Karte hochhielten.
Doch noch vor der Wahl wollen das einige nicht mehr so gemeint haben. Die einen wollen die klimaschädliche Kohlesparte ihres Staatskonzerns einfach verkaufen, nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Andere wollen mit ihrer Antwort nur den Verzicht auf neue Kraftwerke, nicht auf neue Tagebaue gemeint haben. Eine Zusammenfassung der schwedischen Diskussion bietet der taz-Artikel vom Sonnabend:
http://www.taz.de/Vattenfall-im-schwedischen-Wahlkampf/!145529/
Ob nun nach der Wahl praktische Konsequenzen folgen oder nur eine neue Phase der ewigen Verkaufsdiskussion anbricht, kann man noch nicht sicher sein. Doch noch nie war der Rechtfertigungsdruck zum Thema Tagebaue für die schwedischen Politik so hoch wie jetzt.
(Hinweis: In unserer Broschüre „Braunkohle-Land“ haben wir den Verkauf der Kohlesparte bereits als Scheinlösung kritisiert, der Text dazu ist mangels europaweiter Relevanz nur in der schwedischen Fassung enthalten (letzte Seite):
http://www.lausitzer-braunkohle.de/broschuere.php))

3. Vertreter der sorbischen Minderheit fordern von Schweden Braunkohle-Ausstieg

Vertreter der sorbischen Minderheit in der Lausitz haben am 2. September in einem Brief an die schwedische Regierung einen Verzicht des Staatskonzerns Vattenfall auf neue Tagebaugebiete in der Lausitz gefordert. Zu den siebzehn Unterzeichnern gehören namhafte Vertreter aus Politik, Kirche und Kultur, darunter die Bürgermeister von Nebelschütz und Ralbitz-Rosenthal, Mitglieder des Bundesvorstandes der Domowina sowie des sorbischen Künstlerbundes.
„Eine Mehrheit der Sorben sieht die sorbische Sprache und Kultur bedroht durch eine weitere Zerstörung sorbischen Siedlungsgebiets durch den von Vattenfall betriebenen Braunkohlentagebau.“ sagt Thomas Zschornak, Bürgermeister von Nebelschütz und Initiator des Briefes. „Nur wenn Vattenfall auf die geplanten Abbau gebiete Welzow II und Nochten II verzichtet, werden die Klimaschutzbestrebungen des Staatskonzerns glaubwürdig. Nur so entsteht auch Planungssicherheit für einen nachhaltigen Strukturwandel in der Bergbauregion.“
Die Verfasser des Briefes erinnern daran, dass die bedrohte sorbische Kultur und Sprache bereits unter dem jahrzehntelangen Raubbau besonders gelitten haben. Angesichts aufwändiger Imagekampagnen Vattenfalls für die Braunkohle bitten die Unterzeichner den schwedischen Staat zudem „eine weitere Beeinflussung politischer Prozesse in Deutschland durch Vattenfall zu unterbinden.“
Der Text des Briefes in deutsch und schwedisch sowie die Liste der Unterzeichner ist im Internet hier abrufbar:
http://www.lausitzer-braunkohle.de/Texte/140902_brief_peter_norman.pdf
http://www.lausitzer-braunkohle.de/Texte/140902_Brev_Peter_Norman.pdf

4. Strafanzeige gegen Vattenfall wegen Gewässerverschmutzung

Greenpeace und der BUND Brandenburg haben am vergangenen Freitag Strafanzeige gegen den Energiekonzern Vattenfall Europe Mining AG erstattet. Einleitungen von Grubenwasser aus dem Tagebau Welzow-Süd I wiesen massiv erhöhte Eisenwerte auf und betreffen mehrere südliche Zuflüsse des Spreewaldes.
Zusammen mit dem Berliner Institut Eurofins Umwelt Ost wurden an 15 Stellen Wasserproben entnommen und auf ihren Eisengehalt untersucht. Dabei kam es an 11 der 15 Stellen zu Werten, die über den vorgeschriebenen Grenzwerten lagen. Die Wasserrechtliche Erlaubnis für den Tagebau schreibt Grenzwerte von 5 mg/l Eisen (gesamt) und 2 mg/l Eisen (gelöst) vor. Der höchste nun gemessene Wert lag jedoch bei 79mg/l. Die Verockerung in der Folge der Einleitstellen ist bereits mit bloßem Auge zu erkennen. Der Eisenschlamm färbt sowohl Steinitzfließ als auch Petershainer Fließ dunkelrot. In den Bachbetten findet sich eine bis zu 30 Zentimeter tiefe Schlammschicht aus Eisenocker. Durch die Einleitung in das Steinitzer Fließ ist das als Naturschutzgebiet geschützte Koselmühlenfließ betroffen.
Bislang wird die Verockerung meist als Folge der alten, lange geschlossenen DDR-Tagebaue dargestellt. Die aktuellen Messungen zeigen nun, dass auch laufende Tagebaue Gewässer verockern. Erst vergangene Woche hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) das Kohlerevier besucht und das Problem der Verockerung zur Chefsache erklärt. (Quelle: Pressemitteilung und Hintergrundpapier des BUND)

5. Zweifelhaftes Rechtsgutachten des Landtages entkräftet

Am 25. Juli 2014 stellte der Parlamentarische Beratungsdienst des Landtages Brandenburg (PBD) den Abgeordneten das Gutachten „Braunkohlenplanung in Brandenburg“ zur Verfügung. Dem PBD waren vier Fragen vorgelegt worden, mit denen Möglichkeiten des Landes Brandenburg zur Einschränkung der Bergbautätigkeit thematisiert werden.
Die GRÜNE LIGA hat das Papier von Rechtsanwalt Dirk Tessmer beurteilen lassen. In einem Hintergrundpapier sind die dabei gewonnenen Erkenntnisse sowie weitere Anmerkungen zusammengefasst.
Es zeigt sich, dass das PBD-Gutachten mehrere wesentliche Zusammenhänge verschweigt oder verschleiert. Alle diese Ungenauigkeiten und Unvollständigkeiten erwecken gleichermaßen den falschen Endruck, das Land Brandenburg könnte Tagebaue nicht verhindern. Da fällt es schwer zu glauben, dass das PBD-Gutachten nicht zum Ziel hatte, die bisherige Braunkohlenpolitik der Landesregierung zu schützen.

Sollten hier den Abgeordneten ihre Handlungsmöglichkeiten verschwiegen werden? Wurde hier für die kommenden Koalitionsverhandlungen eine Ausrede vorbereitet, um das überflüssige Planverfahren zum Tagebau Jänschwalde-Nord nicht einstellen zu müssen? Ist der parlamentarische Beratungsdienst möglicherweise nicht politisch unabhängig in seiner Bewertung? Das wäre freilich extrem beunruhigend für die Demokratie in unserem Land.
Die gute Nachricht: Wir konnten die entsprechenden Aussagen des Gutachtens problemlos widerlegen: Das Land kann Tagebaue verhindern, wenn es nur will!
Hier die Links zur anwaltlichen Stellungnahme und unserem Hintergrundpapier (pdf-Dateien):
http://www.lausitzer-braunkohle.de/Texte/140911_pgt_zu_pbd.pdf
http://www.lausitzer-braunkohle.de/Texte/140911_hintergrund_pbd-gutachten.pdf
Das Gutachten des PBD selbst dürfen wir aus urheberrechtlichen Gründen nicht veröffentlichen.

6. Braunkohlenplan Welzow II im Verordnungsblatt veröffentlicht

Im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Brandenburg vom 2. September wurde der im Juni beschlossene Braunkohlenplan Welzow-Süd Teilabschnitt II veröffentlicht. Damit tritt er formell in Kraft und die Klagefrist von zwölf Monaten beginnt zu laufen. Umweltverbände und Umsiedlungsbetroffene Bürger haben bereits angekündigt, gegen den Plan vor Gericht zu ziehen. (Die Nachricht im Rundbrief vom 6. August, dass der Plan voraussichtlich erst später veröffentlicht werde, beruhte auf einer falschen Auskunft durch die Geschäftsstelle des sächsischen Planungsverbandes Oberlausitz-Niederschlesien.)

7. Wirtschaftsforscher von Hirschhausen diskutierte in Proschim

Wie die Lausitzer Rundschau berichtete, diskutierte Wirtschaftswissenschaftler Prof. von Hirschhausen am 3. September mit etwa 50 Gästen im Kulturhaus Proschim zum Thema „Ausstieg aus der Braunkohle und dem Tagbau Welzow Süd II“. „Am Braunkohleausstieg gibt es nichts mehr zu rütteln. Der ist im politischen Berlin längst Konsens.“ sagte Hirschhausen. Die Klimaschutzziele der Bundesrepublik Deutschland seien mit der weiteren Verstromung von Kohle nicht zu erreichen. Die Unternehmen würden etwa vier Cent pro erzeugter Kilowattstunde verdienen, jedoch wäre die Begleichung der Folgeschäden mit 10 Cent pro Kilowattstunde deutlich teurer. Wenn bundesweit 50.000 Menschen in der Kohle arbeiten, jedoch 300.000 Menschen in der Erneuerbare-Energien-Branche, sei das Arbeitsplatz-Argument der Kohlebefürworter nicht mehr gültig. Des Weiteren entwickle sich die Möglichkeit der Stromspeicherung zur Zeit rasant weiter, so dass selbst die Rolle der Kohle als Brückentechnologie fraglich sei.

8. Bürgerinitiative gegen Probleme bei Flutung des Tagebaus Cottbus-Nord gegründet

Einwohner des Ortes Maust haben vor wenigen Tagen die Bürgerinitiative „Achtung Ostsee“ gegründet. Im Zuge der Flutung des 2015 ausgekohlten Tagebaus „Cottbus Nord“ und der Schaffung des „Cottbuser Ostsees“ erwartet die Initiative gravierende Probleme für ihren Ort. Es werde große Einschnitte in die Wohnqualität und das Leben der Einwohner geben, falls die derzeit bekannten Planungen von Vattenfall umgesetzt werden. Alle bisherigen Informationen der verantwortlichen Unternehmen und Körperschaften zum Entstehen des Ostsees zeigen nach Ansicht der Initiative deutlich, das diese Probleme nicht erkannt, herunter gespielt und verschwiegen werden. Die Bürgerinitiative wird auf diese Probleme aufmerksam machen um Lösungen kämpfen und Vorschläge unterbreiten.
Befürchtet werden insbesondere Vernässungen, da die geplante Wasserlinie des Tagebausees ca. zwei Meter über der Geländeoberkante von Maust liegen soll. Sorgen macht den Bürgern auch der Hochwasserschutz am Auslauf des geplanten Sees. Die Initiative will sich auch für ein Maß haltendes Tourismuskonzept der Gemeinde Teichland einsetzen. Zu den Sprechern der Bürgerinitiative wurde Dinyar Moriabadi und Jörg Huschmann gewählt.

9. OB-Wahl in Cottbus am 14. September

Es gab Rundbrief-Leser, die im Kommentar zur Landtagswahl ein paar Worte zur gleichzeitig anstehenden Wahl des Cottbuser Oberbürgermeisters vermisst haben. Das ist natürlich berechtigt, weil das kreisfreie Cottbus in Regionalplanung und Landespolitik eine starke Stimme hat.
Sowohl Amtsinhaber Frank Szymanski (SPD) als auch sein bisheriger Stellvertreter und Gegenkandidat Holger Kelch (CDU) bekennen sich zur Braunkohlenwirtschaft. Damit fahren sie den kolonialistischen Kurs, sich aus finanziellem Eigeninteresse (Gewerbesteuer) für die Abbaggerung anderer Kommunen einzusetzen. Beide Kandidaten traten auch schon bei Kundgebungen der IGBCE für die Zwangsumsiedlung Proschims als Redner auf.
Einzig Lars Krause, Kandidat von DIE PARTEI hat seine kritische Distanz zur Kohle in mehreren satirischen Aktionen und Plakaten deutlich gemacht. Wo der Stellvertreter gegen den Amtsinhaber antritt, steht Krause ohnehin als einziger für Veränderung. Nicht nur zur Kohle ist mancher Cottbuser mit der gefühlten Allparteienkoalition nicht glücklich. Die Cottbuser LINKE hat übrigens 2006 Wahlkampf für Kelch gegen Szymanski gemacht, 2014 macht sie Wahlkampf für Szymanski gegen Kelch. Da hilft wirklich nur noch Satire.

10. Märkische Heide 2014 - „Weh dir, oh Brandenburger Land“

Aus einer Niederlausitzer Kirchgemeinde (nein, nicht aus Guben oder Welzow) erreichte uns der Link zur Neubearbeitung der Brandenburger Hymne pünktlich zur Landtagswahl:
http://youtu.be/Uf6tUkrbIGQ

11. Wir trauern um Peter Rocha

Der Dokumentarfilmregisseur Peter Rocha ist Ende August im Alter von 71 Jahren verstorben. Bekannt war er besonders für seine Lausitz-Trilogie. Nach „Hochwaldmärchen“(1987) und „Leben am Fließ“ (1989) zeigte der im Wendejahr 1989 gedrehte Film „Die Schmerzen der Lausitz“ für vielen Zuschauer erstmals das Ausmaß der Landschaftszerstörung durch den Braunkohlenbergbau. Die Verbindung dieser Bilder mit Interviews von Lausitzer Persönlichkeiten wie Gerhard Gundermann, Jurij Koch oder Otto Rind macht aus dem Film ein besonderes Zeitdokument. Peter Rocha bekannte sich stets zu seiner niedersorbischen Herkunft und drehte u.a. im Auftrag des RBB mehrere Dokumentationen zu sorbischen Themen. Peter hat unsere politische Arbeit gegen neue Tagebaue mit großer Sympathie begleitet.

Der Rundbrief als pdf (4 S., 200 kB)
Der Brief sorbischer Vertreter auf deutsch (pdf)
Der Brief sorbischer Vertreter auf schwedisch (pdf)