Rundbrief vom 27. Juni 2014

1. Umsiedlung von 14 Eigenheimen wegen Rutschungsgefahr auf Tagebaukippe
2. SPIEGEL ausführlich über Kohlelobbyist Freese
3. Welzow: Angeblicher Umsiedlungsvertrag existiert gar nicht
4. Neuer Proschimer Ortsvorsteher zeigt sich gegenüber Vattenfall gesprächsbereit
5. Koordinationsbüro für Menschenkette und Klimacamp in Kerkwitz eröffnet
6. Tagebaukritikerin Schulz-Höpfner (CDU) ist Kreistagsvorsitzende
7. Hofreiter kommt zu grüner Veranstaltung nach Cottbus (Mi, 2. Juli)
8. Linke diskutiert in Weißwasser zur Zukunft der Lausitz (Do, 17. Juli)
9. Welzower Bürgermeisterin muss ihren Anwalt selbst bezahlen

1. Umsiedlung von 14 Eigenheimen wegen Rutschungsgefahr auf Tagebaukippe

Erstmals muss eine Siedlung im Lausitzer Braunkohlenrevier wegen Rutschungsgefahr umgesiedelt werden. 14 Eigenheime in der Grubenteichsiedlung in Lauchhammer müssen den Spätfolgen des Kohleabbaus weichen. Das berichtete die Lausitzer Rundschau in ihrer Ausgabe vom Donnerstag. (Der Artikel ist im Internet noch nicht öffentlich.) Nach dem tödlichen Unglück von Nachterstedt war die Sicherheit solcher Bereiche erneut untersucht worden. Jahrelang hatte die LMBV die Notwendigkeit von Umsiedlungen dennoch geleugnet und versucht, die Siedlung mit Pumpen vor dem steigenden Grundwasser zu schützen. Noch im Januar hatte war den Bewohnern versichert worden, dass sie dauerhaft in ihren Häusern bleiben können. Der Bund als Geldgeber hat solche Ewigkeitskosten nun offensichtlich nicht mehr akzeptiert und auf einer dauerhaften Lösung bestanden. Im vierten Quartal des Jahres soll es konkrete Pläne zur Umsiedlung geben.

2. SPIEGEL ausführlich über Kohlelobbyist Freese

Der SPIEGEL berichtet in seiner aktuellen Ausgabe ausführlich über die Verstrickungen des Lausitzer Bundestagsabgeordneten Ulrich Freese (SPD) in die Braunkohlenlobby. „Der Einzug Ulrich Freeses in den Bundestag ist ein Lehrstück darüber, wie eng verflochten die Interessen eines Politikers und die eines Konzerns sein können“ schreibt das Blatt in seinem zweiseitigen Artikel. (Der Spiegel 26/2014, Seite 30f.)

3. Welzow: Angeblicher Umsiedlungsvertrag existiert gar nicht

Am 8. Mai hatte die Lausitzer Rundschau getitelt „Welzow verhandelt Bergbau-Umsiedlung - Einigung über ersten Teil eines Grundlagenvertrages“ und sich dabei auf die Welzower Bürgermeisterin Birgit Zuchold (SPD) berufen. Der Vertrag solle die Modalitäten zur Umsiedlung für den neuen Tagebau Welzow Süd II regeln. Zuchold hatte angekündigt, der praktische Umsiedlungsprozess könnte bereits Mitte 2015 starten.
Der Welzower Stadtverordnete Günter Jurischka (CDU) nahm nun in der vergangenen Woche Akteneinsicht in der Stadtverwaltung. "Es gibt noch gar keinen wie auch immer gearteten ersten Teil eines Grundlagenvertrages" so Jurischka nach der Akteneinsicht. „Was genau verhandelt worden ist und wo mit Vattenfall eine Einigung erzielt worden ist, wurde nirgends erkenntlich“.
Gegenüber dem Stadtverordneten bestätigte Hauptamtsleiter Pusch, dass es noch gar keinen konkreten Grundlagenvertrag gäbe. Es handele sich lediglich um eine "Synopse", eine Gegenüberstellung gleichartiger Daten und Texte.
„Ist es womöglich eine vorsätzliche Täuschung aus der Verwaltung?“, spekuliert Jurischka. Proschim war niemals Gegenstand der Erörterungen – dennoch hatten die Lausitzer Rundschau und andere Zeitungen eine Einigung zur Umsiedlung aller 810 Betroffenen des Tagebaues Welzow-Süd II behauptet. (nach einer Pressemitteilung der Allianz für Welzow vom 20. Juni)
Hier der erwähnte Rundschau-Artikel:
http://www.lr-online.de/nachrichten/brandenburg/Welzow-verhandelt-Bergbau-Umsiedlung;art25,4591507

4. Neuer Proschimer Ortsvorsteher zeigt sich gegenüber Vattenfall gesprächsbereit

Nach der Kommunalwahl konstituierte sich auch in Proschim der neue Ortsbeirat. Mit Gebhard Schulz leitet nun ein Befürworter des Tagebaues das Gremium. Schulz wohnt zur Miete in einem Haus, das Vattenfall gehört und ist selbst bei Vattenfall beschäftigt. Er kündigte umgehend Gesprächsbereitschaft zur Umsiedlung an, die vom Pressesprecher seines Arbeitgebers ebenso umgehend begrüßt wurde. Der Firmenverbund Proschim und zahlreiche private Grundeigentümer bekräftigen dagegen, dass sie alles zur Verhinderung des Tagebaues nötige tun werden. Sie verweisen darauf, dass der Widerstand gegen die Umsiedlung eine stabile Basis unter den Dorfbewohnern hat.
Es drängt sich die Frage auf, ob bei einem Vattenfall-Beschäftigten als Ortsvorsteher nicht ein Interessenskonflikt vorliegt. Die Kommunalaufsicht sähe eine Befangenheit vermutlich erst bei Mitgliedern des Vorstandes von Vattenfall. So weltfremd diese juristische Sicht ist, so einfach wäre es, von sich aus anständig zu handeln: Als 2007 die Bedrohung von Grabko durch Tagebauplanungen öffentlich wurde, trat der damalige bei Vattenfall beschäftigte Ortsvorsteher zurück, um Interessenskonflikte zu vermeiden. Anzumerken ist vielleicht auch, dass Schulz' Amtsvorgängerin Petra Rösch bei ihrem Amtsantritt 2008 noch als Vattenfall-freundlich im Vergleich zu ihrem Vorgänger galt. Bei einem beim Konzern abhängig Beschäftigten wird eine vergleichbare Entwicklung allerdings unwahrscheinlich bleiben.
Letztlich kommt es nur teilweise auf den Ortsbeirat an, sondern vor allem auch darauf, ob die Stadtverordneten ihre klare Beschlusslage gegen die Umsiedlung von Proschim aus dem Jahre 2011 kippen. Auch das kann man nicht ausschließen. Der Widerstand gegen den Tagebau kann sich in Welzow nicht sicher auf die Mehrheit kommunalen Gremien verlassen, die seit den 1990ern massiv vom Bergbaubetrieb lobbyiert werden. Das war letztlich auch vor den Beschlüssen von 2011 schon so.
Nicht jeder Klimaaktivist wird verstehen, warum sich von Umsiedlung und Tagebaurandlage betroffene Menschen solche Volksvertreter wählen können. Man kann es aber nicht als Votum für den Tagebau interpretieren, wenn jahrelange Unsicherheit über die eigene Zukunft Menschen überfordert und sie sich eine schnelle Entscheidung wünschen. Vielmehr ist es das Ergebnis des von Unternehmen und Landesregierung ausgeübten Druckes, die eben keine ergebnisoffene und gleichberechtigte Auseinandersetzung führen. Viele, die freiwillig verhandelten (etwa beim Teilfeld 1 des Tagebaus Nochten), berichteten anschließend, dass sie sich das einfacher und schneller vorgestellt haben und sehr unter der Situation leiden.
Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass sich in Proschim hartnäckig Gerüchte über Wahlmanipulationen halten, die wir an dieser Stelle aber nicht bewerten können.

5. Koordinationsbüro für Menschenkette und Klimacamp in Kerkwitz eröffnet

Am Freitag, dem 20. Juni 2014 wurde in Kerkwitz das Koordinationsbüro für die Menschenkette am 23. August und das in den Tagen davor in Kerkwitz stattfindende 4. Lausitzer Klimacamp eröffnet. Der Bürgermeister Peter Jeschke übergab symbolisch den Schlüssel an den regionalen Koordinator der Menschenkette, Thomas Burchardt und den Vertreter des Klimacamps Martin Dotzauer. Gemeinsam mit dem Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit der Agenda21 der Gemeinde Schenkendöbern werden in diesem Büro bis zum 23. August sowohl die Menschenkette als auch das Klimacamp regional organisiert. Hier die Adresse:

Koordinationsbüro Anti-Kohle-Kette
Thomas Burchardt
c/o Agenda-Büro der Gemeinde Schenkendöbern
Hauptstr.79
03172 Schenkendöbern /OT Kerkwitz

Bei der grenzüberschreitenden Menschenkette werden tausende Teilnehmer das deutsche Dorf Kerkwitz und das polnische Dorf Grabice miteinander verbinden. Beide Dörfer sind durch geplante Tagebaue in ihrer Existenz bedroht. Diese Menschenkette ist ein Zeichen der nationalen und internationalen Forderung eines Ausstieges aus der Kohle.

6. Tagebaukritikerin Schulz-Höpfner (CDU) ist Kreistagsvorsitzende

Monika Schulz-Höpfner aus Atterwasch ist die neue Vorsitzende des Kreistages Spree-Neiße. Sie wurde am 18. Juni in der konstituierenden Sitzung gewählt. Ihre beiden Stellvertreter sind Horst Fillmer (SPD) und Birgit Wöllert (Linke). Letztere ist zugleich Bundestagsabgeordnete und äußert sich ebenfalls gegen neue Tagebaue. Wie die tagebaukritische Bürgerinitiative „Klinger Runde“ mitteilt, sind deren zwei Kreistagsmitglieder nun Teil der viertstärksten Fraktion „Freie Bürger“. Egbert S. Piosik von der Klinger Runde wurde zum Fraktionsvorsitzenden gewählt.

7. Anton Hofreiter kommt zu grüner Veranstaltung nach Cottbus (Mi., 2. Juli)

Die bündnisgrüne Bundestagsfraktion diskutiert die Themen Energiewende, Klimaschutz und Kohleausstieg am 2. Juli nach dem Film „Chasing Ice“ im Cottbuser Obenkino. Dabei sind Dr. Anton Hofreiter (Vorsitzender der Bundestagsfraktion), Annalena Baerbock MdB (Sprecherin für Klimapolitik) und Prof. Dr. (em.) Wolf Schluchter. Die Veranstaltung beginnt um 19.30 Uhr im Obenkino im Glad-House, Straße der Jugend 16 in Cottbus.

8. Linke diskutiert in Weißwasser zur Zukunft der Lausitz (Do., 17. Juli)

Die linke Fraktion im sächsischen Landtag lädt für Donnerstag, den 17. Juli 2014 unter dem Titel Strukturwandel in der Lausitz – wer weiß, wie’s geht?” nach Weißwasser ein. Die Abgeordneten Dr. Jana Pinka, MdL, (umweltpolitische Sprecherin) und Kathrin Kagelmann begrüßen dort als Referenten sowohl Frank Kutzner, der im Auftrag der Fraktion die Studie „Analyse des Forschungs- und Konzeptstandes zur zukünftigen Entwicklung der Lausitz mit und ohne Braunkohleausstiegspfad“ erstellte, als auch Dagmar Schmidt, die eine Vorstudie „Plan A für die Lausitz“ im Auftrag der European Climate Foundation (ECF) erstellte. Beide Inputs sollen anschließend mit den Bürgern diskutiert werden. Die Veranstaltung findet von 19:00 bis 20:30 Uhr im Hotel Kristall Weißwasser, Karl-Liebknecht-Str. 34 in Weißwasser statt.

9. Welzower Bürgermeisterin muss ihren Anwalt selbst bezahlen

Nach der massiven öffentlichen Empörung erklärte die unter Korruptionsverdacht stehende Bürgermeisterin Birgit Zuchold (SPD) ihre Rechtsanwaltskosten nicht von der Stadt Welzow übernehmen zu lassen, sondern privat zu begleichen. Die neu gegründete Fraktion von CDU und der „Grünen Zukunft Welzow (GZW)“ bezeichnete das Einlenken der umstrittenen Bürgermeisterin in der konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am Dienstagabend im Rathaus als einen „einen ersten kleinen Erfolg“. Die Fraktion kritisierte im Vorfeld der Sitzung scharf, dass Zuchold das Geld des Steuerzahlers für ihre private Verteidigung ausgeben wolle. Ein entsprechender Antrag sollte am Dienstag abgesegnet werden. Das wurde durch eine Anrufung der Kommunalaufsicht vereitelt: Zuchold lenkte am Dienstag ein und zog ihr Ansinnen zurück.
Mit Interesse nahmen die Stadtverordneten und anwesenden Einwohner die Erklärung der Bürgermeisterin zu ihrer Pressekonferenz am 12. Juni 2014 wahr. Demnach habe Zuchold als Privatperson die Räumlichkeiten im Rathaus gemietet, aber da in der Gebührenordnung der Stadt kein Entgelt dafür erhoben werde, müsse sie auch keine Miete zahlen. „Das bedeutet doch nichts anderes, als dass jeder Bürger die Säle unseres Rathauses kostenfrei für seine privaten Veranstaltungen nutzen kann“, zeigte sich Jurischka verwundert. Zuchold riet daraufhin den Abgeordneten, die Gebührenordnung der Stadt dahingehend zu ändern.
Im Losverfahren wurde Hannelore Wodtke (GZW) zur Vorsitzenden des Umweltausschusses der Stadt ernannt. Wodtke will sich verstärkt gegen die Lärm- und Staubbelastung durch den Braunkohletagebau stark machen.

Der Rundbrief als pdf (4 S., 200 kB)