Rundbrief vom 10. Juni 2013

1. Vom Deichgraf zum Klimafürsten? - Kohlebetroffene fordern Ministerpräsident Platzeck mit kohlerundbrief 2013 06 10 aoffenem Brief zum Verzicht auf neue Tagebaue auf
2. Bundesverfassungsgericht verhandelte über Bergbau-Enteignungen
3. Brandenburger Landtag stärkt Bergbaugeschädigten überraschend den Rücken
4. Zusätzliche Anhörung zur Notwendigkeit von Braunkohlentagebau Nochten II beschlossen
5. Eisenwelle rollt in den Spreewald
6. Termine und Veranstaltungen

1. Vom Deichgraf zum Klimafürsten? - Kohlebetroffene fordern Ministerpräsident Platzeck mit offenem Brief zum Verzicht auf neue Tagebaue auf

Taubendorf, 9. Juni: Von der am Sonntag erfolgten Einweihung der Mahnglocke in Taubendorf kohlerundbrief 2013 06 10 bbei Guben senden die Organisatoren einen offenen Brief an Ministerpräsident Platzeck, in dem sie den Verzicht auf neue Braunkohlentagebaue fordern. Die Glocke gegen den neuen Tagebau Jänschwalde-Nord läutet ab heute täglich um 17:55 Uhr.
"Die Glocke ermahnt die Landesregierung, ihr Versprechen gegenüber den Bürgern der Region einzuhalten, dass keine weiteren Dörfer dem kohlerundbrief 2013 06 10 aKohletagebau geopfert werden." sagt Pfarrer Mathias Berndt aus Atterwasch.
In den 1990er Jahren gab der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Manfred Stolpe, das Versprechen, Horno sei das letzte Dorf in der Lausitz, das dem Braunkohletagebau weichen muss und der Tagebau werde an der Taubendorfer Rinne enden. Der heutige Ministerpräsident Matthias Platzeck war damals bereits Minister im Kabinett Stolpe und für die Braunkohlenplanung zuständig.
Beim Oderhochwasser 1997 hatte Platzeck die Heimat der Menschen als höchstes GutKohlerundbrief 2013 06 10 Bild1 bezeichnet, will jetzt aber der Braunkohlen-wirtschaft zuliebe mehrere Dörfer gegen ihren Willen umsiedeln lassen. Der Brief geht auch auf den Zusammenhang zwischen Kohleverstromung, Klimawandel und der steigenden Häufigkeit sogenannter Jahrhunderthochwasser ein:
"Wir fordern Sie auf, das Übel bei der Wurzel zu packen! (...) Genehmigen Sie keine neuen Braunkohletagebaue, keine neuen Braunkohlekraftwerke und machen Sie sich einen neuen Namen: Werden Sie vom ‚Deichgraf‘ zum ‚Klimafürsten‘!"

Bei Genehmigung eines Tagebaues Jänschwalde-Nord wäre der Ort Taubendorf von drei Seiten von der Grube umschlossen. Diese Planung verfolgen die Landesregierung und der Vattenfall-Konzern seit mehreren Jahren und brechen damit das in den 1990er Jahren gegebene Versprechen. In der vierten Richtung droht zudem noch der polnische Tagebau Gubin-Brody in Sichtweite aufge-schlossen zu werden. Das begonnene Plan-verfahren für einen Tagebau Jänschwalde-Nord kann die Brandenburgische Landesregierung jedoch jederzeit wieder beenden. Zu diesem Ergebnis war bereits 2012 ein Rechtsgutachten im Auftrag von GRÜNE LIGA und DUH gekommen, dem die Landesregierung bisher nicht wider-sprach.
Die Mahnglocke wurde von einer Bürgerinitiative aus Taubendorf ins Leben gerufen, in den vergangenen Monaten konnte der Holzturm mit zahlreichen Spenden aus der Region errichtet werden. (Fotos: Ralf Möller) Den vollständigen Wortlaut des offenen Briefes gibt es im Internet hier:
www.lausitzer-braunkohle.de/Texte/2013-06-09_mahnglocke_brieftext.pdf

2. Bundesverfassungsgericht verhandelte über Bergbau-Enteignungen - Kläger optimistisch

Karlsruhe, 4. Juni: Die Verhandlung des Bundesverfassungsgerichtes zog sich von 10 Uhr bis etwa 22 Uhr hin. Gegenstand war die Verfassungsmäßigkeit der Enteignungsregelungen im Bundesberggesetz (bergrechtliche Grundabtretung) am Beispiel des Tagebaues Garzweiler II. Verfassungsbeschwerde hatten ein Einwohner von Immerath und der Landesverband Nordrhein-Westfalen des BUND eingereicht.
Im Verlauf der Verhandlung hörte das Gericht verschiedene Sachverständige an. Die Kläger sehen ihre Auffassung beispielsweise durch die Ausführungen des Umweltbundesamtes und der Bundesrechtsanwaltskammer gestärkt.
Der BUND zitiert seinen Anwalt Dirk Teßmer anschließend mit den Worten „Sowohl für den Fall des Obsiegens wie im Falle einer Niederlage sind viele Facetten der Auswirkungen für die Anforderung an die Genehmigung von Bergbauvorhaben und die Frage eines Ob oder Wie der Weiterführung des Tagebaus Garzweiler II denkbar. Nie war die Chance größer, endlich von höchster Stelle festgestellt zu bekommen, ob das Bergrecht weiter die Grundrechte brechen darf. Ich persönlich sehe der Urteilsverkündung optimistisch entgegen.“
Auf das Urteil und seine Begründung wird erfahrungsgemäß noch einige Monate zu warten sein. Gut vorstellbar ist, dass der neu gewählte Bundestag von den Verfassungsrichtern einen Auftrag zur Änderung des Bergrechtes mit auf den Weg bekommt.

3. Brandenburger Landtag stärkt Bergbaugeschädigten überraschend den Rücken

Potsdam, 5. Juni: Der Druck hat gewirkt: der brandenburger Landtag ist in einem Beschluss auf zwei wesentliche Forderungen der Bergschadensbetroffenen eingegangen: die Landesregierung ist beauftragt, sich im Bundesrat für eine Beweislastumkehr zugunsten der Betroffenen einzusetzen sowie vor Ort in Brandenburg die Einrichtung einer Schiedsstelle für Bergschäden zu prüfen. Dort könnten auch diejenigen Geschädigten eine unabhängige Stelle anrufen, die das finanzielle Risiko eines Gerichtsverfahrens nicht tragen können.
Mit einem Entschließungsantrag hatten die Regierungsfraktionen SPD und LINKE auf die Anträge von Grünen und CDU reagiert. Das kam überraschend, da Wirtschaftsminister Christoffers noch vor wenigen Wochen ablehnend und im Sinne des Bergbauunternehmens auf entsprechende Anfragen reagiert hatte. Im Vorfeld der Landtagssitzung hatte sich unter anderem der Bürgermeister der Gemeinde Schenkendöbern mit einem offenen Brief an die Landtagsabgeordneten gewandt und kritisiert, dass Christoffers die Notwendigkeit der Schiedsstelle an der Einschätzung von Vattenfall misst. „Das ist, als frage man einen Autofahrer ob er zum TÜV möchte“ schrieb Jeschke. (Der fraktionslose Abgeordnete Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann zog einen ähnlichen Vergleich: "als würde ein Blitzer im Dorf nicht aufgestellt werden, weil der schlimmste Raser dagegen ist.")
Der vom Landtag angenommene Entschließungsantrag (Drucksache 5-7410) steht hier im Internet:
http://www.parldok.brandenburg.de/parladoku/w5/drs/ab_7400/7410.pdf
Die konkrete Umsetzung des Beschlusses wird in den nächsten Monaten freilich kritisch zu begleiten sein. Er sieht etwa die Schlichtung im Rahmen "vorhandener Institutionen" vor, die nicht immer den Ruf einer von Vattenfall unabhängigen Arbeitsweise genießen. Zu hinterfragen ist auch die Argumentation der Regierungskoalition, dass eine Schlichtungsstelle automatisch überflüssig würde, wenn im Bergrecht für Tagebaue die Beweislast zu Lasten des Unternehmens umgekehrt wird. Auch dann stehen noch die privat Betroffenen einer Übermacht vom Unternehmen bezahlter Gutachter gegenüber. Nordrhein-Westfalen hat jedenfalls auch für den untertägigen Bergbau eine Schlichtungsstelle - obwohl für diesen die Beweislast ja bereits jetzt umgekehrt ist.

4. Zusätzliche Anhörung zur Notwendigkeit von Braunkohlentagebau Nochten II beschlossen

Bautzen, 4.Juni: Nach der Sitzung des Braunkohlenausschusses in Bautzen kündigt das Bündnis "Strukturwandel jetzt - kein Nochten II" weiteren Widerstand gegen die Abbaggerung der sorbisch-deutschen Dörfer in der Region Schleife an. Der Ausschuss hat beschlossen, dass zur Frage der Notwendigkeit des Tagebaues eine zusätzliche Expertenanhörung in der Verbandsversammlung am 1. Juli durchgeführt werden soll.
Im Vorfeld der Sitzung hielt das Aktionsbündnis eine Mahnwache vor dem Landratsamt Bautzen ab. Etwa 50 Menschen hatten sich versammelt, um gegen die Genehmigung des geplanten Braunkohletagebaus Nochten II zu demonstrieren.
„Ein Tagebau Nochten II ist nicht notwendig. Der Braunkohleausschuss hat sich bisher einseitig auf ein Gutachten konzentriert, das den Tagebau für notwendig erklärt, obwohl ihm auch die gegenteilige Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vorliegt. Wenn das Verfahren ergebnisoffen sein soll, muss er das korrigieren.“ sagt Friederike Böttcher, Sprecherin des Bündnisses.
Auch Kathrin Kagelmann, Verbandsrätin im Regionalen Planungsverband, bezweifelt die behauptete energiepolitische Notwendigkeit von Nochten II. Sie beantragte deswegen stellvertretend für viele Einwender bereits vor der Sitzung die persönliche Vorstellung des tagebaukritischen Gutachtens durch Professor von Hirschhausen im Planungsverband, um ein ausgewogenes Verfahren zu garantieren. Der Braunkohleausschuss setzte diese Anhörung nun für den 1. Juli an.
„Darüber hinaus wird noch immer die ablehnende Haltung der Gemeinde Schleife gegenüber der Zerstörung ihrer Ortsteile durch den Tagebau ignoriert.“ so Friederike Böttcher.
Per Gemeinderatsbeschluss von 2012 spricht sich Schleife gegen die Inanspruchnahme durch Nochten II aus. Von Seiten des Bürgermeisters der Gemeinde Schleife Reinhard Bork und dem Regionalen Planungsverband hingegen wird der Eindruck erweckt, die betroffenen Bürgerinnen und Bürger hätten sich für eine Umsiedlung ausgesprochen. Tatsächlich wurde aber zu keiner Zeit die Bevölkerung hierzu befragt.
Formal hat der Braunkohlenausschuss mit dem Beschluss vom 4. Juni die eingereichten Einwendungen abgewogen. Dabei machen die nur drei Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen die zunehmenden Zweifel an dem Projekt deutlich. Der Planentwurf muss noch von der Verbandsversammlung des regionalen Planungsverbandes beschlossen und außerdem von der sächsischen Staatsregierung genehmigt werden. Daher ist das Planverfahren mit der Sitzung des Braunkohlenausschusses noch nicht beendet. (Pressemitteilung, gekürzt)

5. Eisenwelle rollt in den Spreewald

Die ergiebigen Regenfälle und das Hochwasser haben ganz verschiedene Einflüsse auf das Bergbaurevier. In den von Grundwasserabsenkung der Vattenfall-Tagebaue erfassten Gebiete wirken sie nur vorübergehend, solange das Wasser in den oberen Bodenschichten verbleibt. Die Tiefe, auf die das regionale Grundwasser für die Standsichereit der Tagebaugeräte abgepumpt werden muss, ändert sich nicht, es muss nur mehr gepumpt werden: "Die Entwässerungsanlagen in den Gruben mussten etwa einen Kubikmeter pro Sekunde mehr Wasser als sonst heben." teilte Vattenfall am 4. Juni in einer Pressemitteilung mit.
Gravierender sind die Auswirkungen des Hochwassers für die Verockerung der Spree. Am Grund der Spree oder der Talsperre Spremberg abgesetztes Eisenocker wurde offenbar vom Wasser mitgerissen und in Richtung Spreewald transportiert. Die Barrierewirkung der Talsperre kann unter diesen Umständen nicht aufrecht erhalten werden. Das Bündnis "Klare Spree" stellte am 1. Juni in Burg/Spreewald Eisenwerte zwischen 6 und 22 Milligramm pro Liter fest und schlug Alarm. Letztlich wird erst nach dem Hochwasser erkennbar sein, wo und in welcher Menge die transportiere Eisenfracht sich nun absetzt.
Eine dritte Wirkung: Der Wiederanstieg stark eisenbelasteten Grundwassers an seinem Herkunftsort, den Tagebaukippen beispielsweise im Tagebaugebiet Lohsa II, könnte durch den Dauerregen erneut schneller gehen als von der LMBV bisher erwartet. Damit steigt das Risiko, dass die gerade erst konzipierten Maßnahmen gegen den Eiseneintrag in die Spree zu spät kommen.

6. Termine und Veranstaltungen

Stehen wie immer im Internet unter: www.lausitzer-braunkohle.de/termine.php