Rundbrief vom 15. Juni 2012

1. Anspruch und Wirklichkeit einer Landesverfassung: Brandenburgs Braunkohlepolitik musste mehrfach vom Verfassungsgericht gestoppt werden
2. "Grüße aus der Lausitz" beim Sommerfest der Landesregierung
3. Vermittlungsausschuss schiebt CCS vor sich her
4. Bundesministerin streicht CCS-Förderung
5. Weiter Diskussionen um Doktorarbeit des Vattenfall-Prokuristen Dähnert
6. Weitere Braunkohle-Umsiedlungen darf es nicht geben - Gedenktag für abgebaggerte sorbische Dörfer

1. Anspruch und Wirklichkeit einer Landesverfassung: Brandenburgs Braunkohlepolitik musste mehrfach vom Verfassungsgericht gestoppt werden

(Pressemitteilung der GRÜNEN LIGA Brandenburg vom 13. Juni 2012 ):
Zum 20. Jahrestag der brandenburgischen Verfassung am 14. Juni erinnert der Umweltverband GRÜNE LIGA an die gerichtlich gestoppten Verfassungsbrüche, mit denen die Landesregierung Braunkohlentagebaue durchsetzen wollte.
"Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander: Die Landesregierung unter Ministerpräsident Stolpe und der damalige Minister Matthias Platzeck mussten zweimal gerichtlich gestoppt werden, als sie mit verfassungswidrigen Mitteln die Abbaggerung von Dörfern durchsetzen wollten. Auch das gehört zur Verfassungsgeschichte Brandenburgs. Glaubwürdigkeit ist für die Politik so nicht zu gewinnen,“ sagt Heinz-Herwig Mascher, Landesvorsitzender der GRÜNEN LIGA.
Der Braunkohlenplan zum Tagebau Jänschwalde, mit dem die Umsiedlung der Gemeinde Horno durchgesetzt werden sollte, wurde zweimal - in den Jahren 1995 und 2000 – vom Landesverfassungsgericht für nichtig erklärt. Erst ein dritter Plan und das massive Schaffen von Tatsachen konnten den Widerstand des Dorfes brechen.
Auch das 1997 beschlossene Gesetz zur Auflösung der Gemeinde Horno stand kurz vor einer Aufhebung durch die Verfassungsrichter: Zwei beteiligte Richter sahen es in einem Minderheitenvotum als verfassungswidrig an. Das Gesetz ist noch heute in Kraft.
Der heutige Ministerpräsident Matthias Platzeck war für alle diese Fälle als der damals für Raumordnung und Braunkohlenplanung zuständige Fachminister verantwortlich. Die Durchsetzung des Bergbaus gegen alle Bedenken gehört offenbar bis heute zu den Prioritäten brandenburgischer Landespolitik.
(Die erwähnten Entscheidungen des Landesverfassungsgerichtes tragen die Aktenzeichen VfGBbg 6/95; VfGBbg 27/98 und VfGBbg 32/99)

2. "Grüße aus der Lausitz" beim Sommerfest der Landesregierung

Zum jährlichen Sommerfest der Landesregierung gehört inzwischen ebenso traditionell die leise Protest gegen neue Braunkohlentagebaue, den Anwohner des Potsdamer Krongutes Bornstedt tatskräftig unterstützen. In diesem Jahr sahen die Besucher des Festes auf dem Heimweg "Grüße aus der Lausitz", das heißt Bilder, die die Schönheit und Lebendigkeit der vom Tagebau bedrohten Orte und Landschaften zeigen. Dazu erklang das schwedische Volkslied "Mutter Erde". Die Aktion stieß bei zahlreichen Gästen des Festes auf Interesse und Sympathie.

3. Vermittlungsausschuss schiebt CCS vor sich her

Kurz bevor sich Brandenburgs Landesregierung in Potsdam selbst feierte, tagte am Mittwoch auch der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Die Bürgerinitiativen gegen CO2-Verpressung nutzten die Gelegenheit, sich nun auch dem neuen Bundesumweltminister bemerkbar zu machen. In der Sache bewegte sich offenbar nichts. Inzwischen mehren sich die Zweifel, ob es vor der Bundestagswahl 2013 überhaupt ein Ergebnis des Vermittlungsprozesses und damit ein deutsches Gesetz zur unterirdischen CO2-Verpressung geben wird.

4. Bundesministerin streicht CCS-Förderung

Das Bundesministerium streicht die Förderung von CCS-Forschungsprojekten. Die SPD-Bundestagsfraktion bezeichnet das als "späte Einsicht", weil sie es stets gefordert habe. Näheres dazu in diesem Artikel auf klimaretter.info:
http://www.klimaretter.info/politik/nachricht/11357-spd-schavan-streicht-ccs

5. Weiter Diskussionen um Doktorarbeit des Vattenfall-Prokuristen Dähnert

Die Brandenburgische Technische Universität Cottbus teilte am Dienstag mit, die gegen die Doktorarbeit von Vattenfall-Manager Detlev Dähnert erhobenen Plagiatsvorwürfe seien nicht zutreffend. Der Bericht der zuständigen Kommission ist nicht öffentlich verfügbar. Während die Vorwürfe detailliert und nachvollziehbar dargelegt wurden, enthält die Pressemitteilung der Universität lediglich die Behauptung, sie seien gegenstandslos. Angesichts der Tatsache, dass der Vattenfall-Konzern größter Drittmittelgeber der BTU Cottbus ist, sollte die Hochschule keine Zweifel an der Objektivität ihrer Prüfung aufkommen lassen und ihre Argumentation offenlegen. Die Internetplattform vroniplag war im November 2011 zu der Einschätzung gekommen, dass die Doktorarbeit von Detlev Dähnert auf 44 Prozent der Seiten Plagiate enthält. (http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Home) Die Kommission der Universität spricht dagegen lediglich von "handwerklichen Schwächen".
Einer der Hauptvorwürfe gegen die Doktorarbeit ist, dass Dähnert Arbeitsergebnisse beauftragter Gutachterfirmen ohne Quellenangabe in seiner Doktorarbeit verwendete. Das wäre etwa mit dem Missbrauch des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages durch Herrn zu Guttenberg vergleichbar. (http://www.lausitzer-braunkohle.de/Texte/plagiatsverdacht.pdf) Ob, wie und mit welchem Ergebnis die Kommission der BTU dieser Frage nachging, ist nicht bekannt.
Ein Armutszeugnis stellte sich die "Lausitzer Rundschau" mit ihrer Berichterstattung aus. Sie versuchte nicht nur seit November, die vroniplag-Bewertung totzuschweigen, sondern behauptete noch am 13. Juni, vroniplag habe sich von den Plagiatsvorwürfen distanziert. Die Plagiatsexpertin Prof. Dr. Deborah Weber-Wulff intervenierte daraufhin bei der Zeitung. Dem "Neuen Deutschland" sagte sie, sie "frage sich, was sie angesichts der Kommissionsentscheidung ihren Studenten sagen soll. Denen würde sie nämlich nie und nimmer durchgehen lassen, eine solche Arbeit abzuliefern."
(http://www.neues-deutschland.de/artikel/229650.plagiat-mit-kohle.html?sstr=Plagiat)
Statt sich für ihre nachweislich falsche Berichterstattung zu entschuldigen, zog die Lausitzer Rundschau in einem Kommentar am 14. Juni über die Plagiatsvorwürfe her. Bis einen Tag zuvor war vroniplag mehrfach als besonders seriös arbeitende Kronzeugen hingestellt worden. Doch kaum dass es sich nicht mehr Pro Vattenfall vereinnahmen liess, wurde dasselbe Projekt nun verächtlich als "selbst ernannte Plagiatsjäger" bezeichnet. Den Nicht-Abonenten sei an dieser Stelle mitgeteilt, dass die Lausitzer Rundschau in den vergangenen Tagen regelmäßig halbseitige Vattenfall-Anzeigen enthielt.

6. Weitere Braunkohle-Umsiedlungen darf es nicht geben - Gedenktag für abgebaggerte sorbische Dörfer

(Pressemitteilung vom 9. Juni 2012)
Der Umweltverband GRÜNE LIGA und Betroffene früherer Bergbauumsiedlungen fordern den Stop der Planung neuer Braunkohlentagebaue. Sorbische und deutsche Einwohner der Lausitz begehen heute zum 15. Mal den Gedenktag für die abgebaggerten sorbischen Dörfer.
"Als ehemalige Einwohnerin von Klein Lieskow weiß ich, was es heißt, seine Heimat zu verlieren. Nach 136 verschwundenen Orten in der Lausitz muss jetzt damit Schluss sein. Weitere Umsiedlungen wegen Tagebauen darf es in der Lausitz nicht geben." sagt die ehemalige Einwohnerin Kathrin Schwella.
"Zur Energiewende gehört ein schrittweiser Ausstieg aus der Braunkohleverstromung. Die Landesregierungen von Brandenburg und Sachsen müssen deshalb die Planverfahren für neue Umsiedlungen einstellen, anstatt weiteren dreitausend Menschen die angestammte Heimat zu nehmen." sagt René Schuster von der GRÜNEN LIGA.
Zum Thema "Trauer und Tanz" findet am heutigen Gedenktag um 17:00 Uhr in der Dorfkirche Atterwasch ein Konzert statt. Eine Gruppe engagierter Konzertmusiker eröffnet damit den Dorfkirchensommer dieses von der Umsiedlung durch einen Vattenfall-Tagebau bedrohten Ortes.
Seit der ersten Bergbauumsiedlung in der Lausitz im Jahr 1924 hatte die Minderheit der Sorben / Wenden besonders stark unter der Zerstörung gewachsener Dorfstrukturen zu leiden. Insgesamt wurden in der Lausitz etwa 30.000 Menschen aus 136 Orten wegen des Braunkohlenabbaus unfreiwillig umgesiedelt. Der Vattenfall-Konzern plant derzeit fünf neue Tagebaue in der Lausitz und will mehr als dreitausend Menschen dafür umsiedeln.
Anlässlich des ersten Jahrestages der Verabschiedung des sogenannten Horno-Gesetzes durch den Brandenburger Landtag war der Gedenktag 1998 in Lacoma bei Cottbus ins Leben gerufen worden.

Termine

Ausstellung "Unverkäuflich"
26 April 2024
10:00 - 20:00
Franz-Mehring-Platz 1, Berlin
Filmabend "Es kommt darauf an das Hoffen zu lernen"
21 Mai 2024
19:00 -
Salon des Franz-Mehring-Platzes 1, 10243 Berlin

Dieser Wald ist der Kohlegrube im Weg

Dieser Wald ist der Kohlegrube im Weg

 

Lausitzer Menschen für einen früheren Kohleausstieg

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Bitte unterstützt die Lacoma-Filmdokumentation

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