Rundbrief vom 30. September 2016

1. Pariser Klimaabkommen ratifiziert
2. EU-Kommission macht Weg frei, EPH hält sich zu neuen Tagebauen bedeckt
3. Deutschlandweites Bündnis fordert unverzügliche Entscheidung zum Kohleausstieg und „Zukunftspakt” für einen gerechten Strukturwandel
4. Tagebaubetroffene aus Rheinland und Lausitz tauschen Apfelbäume
5. Visionen für die Zeit nach dem Kraftwerk Jänschwalde jetzt auch online
6. Ab Mai geht keine Lausitzer Kohle mehr nach Berlin
7. Senftenberg: Bergarbeiterstadt heizt mit der Sonne
8. Große deutsche Unternehmen fordern Kohlekonsens
9. Erörterungstermin zum „Cottbuser Ostsee“ ist angesetzt
10. Berliner Klimagespräch am 19. Oktober

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1. Pariser Klimaabkommen ratifiziert

Einstimmig haben der Bundestag am 22. und der Bundesrat am 23. September die Ratifizierung des Klimaabkommens von Paris beschlossen. In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob die EU-Staaten ihre Ratifizierungsurkunden gemeinsam erst dann an die UN überreichen, wenn alle 28 Parlamente zugestimmt haben, oder ob eine Ausnahme von dieser Regel gemacht wird. Einen Fahrplan für einen sozialverträglichen Kohleausstieg forderte der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen (SRU) „Wir werden die Ziele des Abkommens nur erreichen können, wenn der Ratifizierung ambitioniertere klimapolitische Taten der Bundesregierung folgen“, erklärt die Ratsvorsitzende Prof. Dr. Claudia Hornberg.

2. EU-Kommission macht Weg frei, EPH hält sich zu neuen Tagebauen bedeckt

Am 22. September 2016 genehmigte die Europäische Kommission die Übernahme der Lausitzer Kohlewirtschaft durch Energetický a Průmyslový Holding (EPH) und PPF Investments. Die Entscheidung war so erwartet worden, denn die Kommission hatte ausschließlich kartellrechtliche Fragen geprüft, während die Probleme des Deals auf anderen Gebieten liegen, wie etwa der drohenden Abwälzung von Tagebaufolgekosten auf den Steuerzahler.

Über die Beschwerde des vom Bieterverfahren ausgeschlossenen mongolischen Investors ist noch nicht entschieden, sie wird die Umsetzung des Verkaufs aber nach vorherrschender Auffassung nicht stoppen.

Damit wird allgemein erwartet, dass am heutigen 30. September die Übergabe des Unternehmens an EPH erfolgt. Gegenüber dpa wollten sich die Käufer nicht zu den weiteren Entscheidungen, zum Beispiel über Arbeitsplätze äußern. Man wolle zunächst mit Gewerkschaften, Bürgerinitiativen und Politikern sprechen. Zu den Entscheidungen dürfte auch gehören, ob die von Vattenfall zuletzt auf Eis gelegten Umsiedlungsvorbereitungen für die Tagebaue Welzow-Süd II und Nochten 2 wieder aufgenommen werden.

Das von vielen herbeigeredete „Ende einer Hängepartie“ ist die Umsetzung des Verkaufs nicht. Da derzeit mit Braunkohlestrom kaum Geld verdient wird, fallen Investitionen jedem denkbaren Eigentümer schwer. Ob EPHs Wette auf nach 2022 steigende Strompreise aufgeht, wird man letztlich erst 2022 wirklich wissen. Die fünfjährige Verpflichtung, die Geldmittel nicht aus dem Unternehmen abzuziehen und der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 2020 werden dann jedenfalls ausgelaufen sein. Auf anderem Wege Arbeitsplätze abzubauen, ist auch vorher schon möglich.

3. Deutschlandweites Bündnis fordert unverzügliche Entscheidung zum Kohleausstieg und „Zukunftspakt” für einen gerechten Strukturwandel

Verbände und Betroffene aus allen Braunkohle-Regionen Deutschlands appellieren an die Bundesregierung, den Abschied von der Kohleverstromung unverzüglich einzuleiten. In ihrem am vergangenen Sonnabend verabschiedeten „Erkelenzer Appell” fordern 50 Organisationen, Kirchen und Bürgerinitiativen den Großteil der Braunkohle im Boden zu lassen, da die Pariser Klimaziele sonst verfehlt würden.

Das Bündnis kritisierte scharf, dass Bundeswirtschaftsminister Gabriel Aussagen zum Kohleausstieg aus dem Klimaschutzplan 2050 entschärft und gestrichen hatte. „Ein Klimaschutzplan ohne Kohleausstieg verdient seinen Namen nicht. Sigmar Gabriel muss zu seinem Wort stehen und noch in diesem Jahr den Ausstieg aus der Kohle einleiten. Die Paris-Ziele geben den Pfad vor”, forderte Dirk Jansen, Geschäftsführer des BUND Nordrhein-Westfalen. Bis spätestens 2025 müsse die Hälfte der Kohlekraftwerksleistung vom Netz gehen. Neue Braunkohlekraftwerke wie RWE im nordrhein-westfälischen Bergheim-Niederaußem plant, seien Fantastereien der Kohle-Lobby, die nicht mehr genehmigt werden dürften.

Das Bündnis verlangte außerdem, neue Tagebauplanungen wie Nochten II, Welzow Süd II, Jänschwalde-Nord oder die Erweiterung des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain umgehend zu stoppen. „Es ist schizophren, dass Deutschland vor wenigen Tagen das Klimaabkommen von Paris ratifiziert hat und immer noch neue Tagebaue plant. Entweder beabsichtigt die Bundesregierung einen Wortbruch oder sie nimmt teure Investitionsruinen auf dem Rücken der Dorfgemeinschaften und Arbeitnehmer in Kauf”, sagte René Schuster von der Umweltgruppe Cottbus im Lausitzer Revier.

Statt an der Braunkohle festzuhalten, müsse der Strukturwandel jetzt aktiv gestaltet werden. Es brauche einen Zukunftspakt für die Regionen und finanzielle Unterstützung, etwa durch einen Strukturwandelfonds. „Mit Ver.di zeigt sich nun auch eine der zuständigen Gewerkschaften offen für einen sozialverträglichen Kohleausstieg. Minister Gabriel kann sich nicht länger hinter den Gewerkschaften verstecken”, so Jens Hausner, Sprecher der BI Pro Pödelwitz aus dem Mitteldeutschen Revier.

Der „Erkelenzer Appell” wurde bei dem Bündnistreffen „Wie geht es weiter ohne Braunkohle” von Umweltverbänden, kirchlichen Vertretern, Entwicklungsorganisationen, Bürgerinitiativen, Verbraucherschutzorganisationen und Wirtschaftsverbänden im rheinländischen Erkelenz verfasst. Anlass war das zehnjährige Bestehen des Aktionsbündnisses „Zukunft statt Braunkohle“. (gemeinsame Pressemitteilung, 25.09.2016) Link zum „Erkelenzer Appell”:
http://www.die-klima-allianz.de/wp-content/uploads/Erkelenzer-Appell.pdf

4. Tagebaubetroffene aus Rheinland und Lausitz tauschen Apfelbäume

Am Dienstag, dem 27. September wurde im vom Braunkohletagebau bedrohten Dorf Proschim öffentlich ein Apfelbaum gepflanzt, den Vertreter aus der Lausitz vom bundesweiten Treffen „Zukunft statt Braunkohle“ aus dem rheinischen Braunkohlenrevier mitgebracht hatten.

Der Apfelbaum stammt von der Obstwiese des BUND Nordrhein-Westfalen im Abbaugebiet des Tagebaues Garzweiler. Die Obstwiese war zugunsten des dortigen Tagebaubetreibers RWE enteignet und zerstört worden. Später stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass diese Enteignung grundgesetzwidrig war. Von den rechtzeitig vor der Zerstörung geschnittenen Edelreisern wurden seitdem die „Garzweiler Zukunftsbäume“ an vielen Orten im rheinischen Revier gepflanzt.
Nun gab es erstmals einen Austausch von Apfelbäumen mit dem Lausitzer Revier am anderen Ende Deutschlands. Am Sonntag pflanzten Lausitzer Bergbau-betroffene und die GRÜNE LIGA Umweltgruppe Cottbus im vom Tagebau Garzweiler bedrohten Ort Kuckum die traditionelle Lausitzer Apfelsorte „Gubener Warraschke“. Im Austausch brachten sie eine „rheinische Schafsnase“ mit in die Lausitz.

(Foto: Dieter Augustyniak aus Kerkwitz, Dirk Jansen, BUND NRW, Jürgen Handreck aus Taubendorf, Christian Huschga aus Atterwasch)

5. Visionen für die Zeit nach dem Kraftwerk Jänschwalde jetzt auch online

Das Liechtenstein-Institut für strategische Entwicklung hat die von internationalen Studenten erstellten Visionen für eine Zukunft nach dem Kraftwerk Jänschwalde in der Broschüre „Lausitz im Wandel – Visionen für eine Region“ zusammengefasst. Nachdem die Druckfassung bereits bei der vom Institut mitveranstalteten Tagung zum Strukturwandel in Peitz am 8. September verteilt wurde, ist nun auch eine Onlinefassung verfügbar. Der Druck des Heftes wurde von der IHK Cottbus und der Spreewälder Kulturstiftung unterstützt. Die Ausstellung der Arbeiten kann noch bis zum 9. Oktober in der Kirche Peitz besichtigt werden.

6. Ab Mai geht keine Lausitzer Kohle mehr nach Berlin

Wie Vattenfall am 27. September in einer Pressemitteilung mitteilte, endet der Einsatz von Lausitzer Rohbraunkohle im Berliner Kraftwerk Klingenberg am 24. Mai 2017. Dadurch würden 600.000 Tonnen CO2 pro Jahr weniger emittiert. Das entspricht derselben Menge Rohbraunkohle, die überwiegend aus dem Tagebau Welzow-Süd kam. Vor Jahren war geplant, den Braunkohle-Einsatz in Berlin um 2015 zu beenden, zwischenzeitlich hatte Vattenfall das aber auf 2020 verschoben. Die Modernisierung des Kraftwerkes sei schneller vorangekommen als geplant, heißt es in der Pressemitteilung, so dass künftig ausschließlich auf Gas gesetzt werde. Tatsächlich kann auch der Verkauf der Lausitzer Tagebaue zu dieser Entscheidung beigetragen haben. Die Berliner Wärmeversorgung und das Kraftwerk Klingenberg verbleiben bei Vattenfall und müssten die Kohle künftig beim EPH-Konzern kaufen.

7. Senftenberg: Bergarbeiterstadt heizt mit der Sonne

In Senftenberg speist seit dem 22. September Deutschlands größte solarthermische Anlage in das Fernwärmenetz ein. In den Sommermonaten wird das Warmwasser für etwa 10.000 Haushalte nun komplett mit der Sonne erzeugt. Im Winter ergänzt eine Gasfeuerung das System. Bis vor wenigen Jahren betrieb die ehemalige Bergarbeiterstadt ein Braunkohle-Heizkraftwerk. Senftenberg war in der DDR zentraler Sitz des Lausitzer Braunkohlenkombinates und später der Lausitzer Braunkohle AG, bis unter Vattenfall-Besitz die Tagebau-Hauptverwaltung im Jahr 2004 nach Cottbus wechselte.

8. Große deutsche Unternehmen fordern Kohlekonsens

Einen Konsens zum Ausstieg aus der Kohle fordern in einer Erklärung 13 große deutsche Unternehmen, darunter AIDA Cruises, Deutsche Bahn AG, Deutsche Telekom AG, IKEA Deutschland GmbH & Co. KG, Otto Group, PUMA SE, die Stadtwerke München GmbH und die Trianel GmbH. „Wir sehen es als Aufgabe der Politik, den Zeitplan eines Kohleausstiegs in Einklang mit den deutschen Klimazielen zu bringen" heißt es in der im Internet veröffentlichten Erklärung.

9. Erörterungstermin zum „Cottbuser Ostsee“ ist angesetzt

Die Erörterung zum Restloch des Tagebaues Cottbus-Nord ist für den 1. und 2. November angesetzt. Das machte das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe amtlich bekannt. Die wesentlichen Probleme, die bei der Flutung des Sees drohen, fasst unser Infoblatt aus dem Jahr 2015 zusammen.
An der Erörterung, die in der Messehalle Cottbus stattfindet, kann teilnehmen, wer während der zweimaligen Öffentlichkeitsbeteiligung fristgerecht eine Einwendung erhoben hat. Hier die Bekanntmachung.

10. Berliner Klimagespräch am 19. Oktober

Die Klima-Allianz lädt für den 19. Oktober herzlich ein zu den zweiten Berliner Klimagesprächen unter dem Thema „Braunkohleverstromung in Deutschland: Anforderungen und Risiken“ am 19.10. von 17-18.30 Uhr im Hotel Aquino ein.
Podiumsdiskussion mit:

  • Rainer Baake (Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie)
  • Dr. Maren Petersen (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BdEW, Bereichsleiterin Erzeugung, Leiterin der Stabsstelle für Erneuerbare Energien)
  • Fredrik Moch (DGB, Leiter der Abteilung Struktur-, Industrie-, Dienstleistungspolitik)
  • Antje von Broock (BUND, stellvertretende Geschäftsführerin Politik und Kommunikation)

Moderation: Sven Egenter (Clean Energy Wire / klimafakten)
Im Anschluss Diskussion mit dem Publikum.
Ort: Hotel Aquino, Hannoversche Straße 5 b, Anmelden unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Hier der Rundbrief als pdf

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26 April 2024
10:00 - 20:00
Franz-Mehring-Platz 1, Berlin
Wir beim Umweltfestival in Berlin
28 April 2024
Berlin, Straße des 17. Juni
Filmabend "Es kommt darauf an das Hoffen zu lernen"
21 Mai 2024
19:00 -
Salon des Franz-Mehring-Platzes 1, 10243 Berlin

Dieser Wald ist der Kohlegrube im Weg

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