Rundbrief vom 24. Juni

Liebe Leserinnen und Leser,

nach den großen Protesten am Wochenende im Rheinland hier wieder die vielen Einzelheiten zum Lausitzer Revier:

  1. AfD-Landesvorsitzende wollen Abbaggerung von Grabko, Kerkwitz und Atterwasch nicht ausschließen
  2. Bergbauschäden: Braunkohlenausschuss wählt nach kontroverser Debatte Beisitzer für die geplante Schiedsstelle
  3. Evangelischer Kirchentag verabschiedet Resolution der Klimapilger
  4. Können die neuen Arbeitsplätze in der Lausitz überhaupt besetzt werden?
  5. Klagefrist gegen Cottbuser Ostsee endet erst am 25. Juli
  6. Lacoma-Kreuz geht an Haus der Geschichte
  7. Tagebau Gubin vor dem Aus?
  8. Gundermann und Gysi in Proschim
  9. Fake news: Cottbuser Ostsee zu 5 % gefüllt?
  10. In eigener Sache: Dürre in der Lausitz

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1. AfD-Landesvorsitzende wollen Abbaggerung von Grabko, Kerkwitz und Atterwasch nicht ausschließen

Bei ihrer öffentlichen „Bürgersprechstunde“ am 7. Juni in Jänschwalde schlossen der brandenburgische AfD-Landesvorsitzende Kalbitz und sein sächsischer Amtskollege Urban einen Aufschluss des Braunkohletagebaues Jänschwalde-Nord und damit die Umsiedlung von Grabko, Kerkwitz und Atterwasch nicht aus.
„Der Wahlkampf der AfD in der Lausitz ist offensichtlich unredlich: Wer jedes Abschaltdatum für das Kraftwerk Jänschwalde ablehnt, der muss sagen, welche Dörfer er als nächstes abbaggern will. Das ist simple Mathematik. Die AfD verspricht den Lausitzern weitere Kohleverstromung, verschweigt ihnen aber die Folgen für die Region.“ sagt René Schuster vom Umweltverband GRÜNE LIGA.

Schuster hatte Urban und Kalbitz nach deren Bekenntnis zur Braunkohle öffentlich gefragt, woher die Kohle für einen dauerhaften Weiterbetrieb des Kraftwerksstandortes Jänschwalde kommen soll. „Man kanns nicht jedem recht machen.“ betonte Andreas Kalbitz mit Blick auf weitere Umsiedlungen, nannte aber kein konkretes Dorf oder Abbaufeld.

Nach zehn Jahren fast geschlossenem Widerstand der betroffenen Bewohner war der Tagebau Jänschwalde-Nord im März 2017 vom Tagebaubetreiber LEAG aufgegeben worden. Das ist unausweichlich mit einem Ende der Kohleverstromung in Jänschwalde verbunden. Die AfD-Landtagsfraktionen hatten zu einer öffentlichen Sprechstunde der beiden Vorsitzenden in Jänschwalde eingeladen, die trotz Plakat- und Anzeigenwerbung mit ca. 50 Gästen nur mäßig besucht war, wenn man die Zahl am medialen Hype um die Erfolge der Partei in der Lausitz misst. (Foto: Und niemand soll ihn mehr bewegen - Gedenkstein an die Bedrohung durch den Tagebau in Kerkwitz)

2. Bergbauschäden: Braunkohlenausschuss wählt nach kontroverser Debatte Beisitzer für die geplante Schiedsstelle

griessen 7467Mehr als sechs Jahre nachdem der Brandenburger Landtag die Einrichtung einer Schiedsstelle für Bergschäden befürwortet hat, soll diese am 24. Juli 2019 ihre Arbeit aufnehmen. Der Brandenburger Braunkohlenausschuss hat dazu am Freitag (21. Juni) in einer Sondersitzung fünf Beisitzer für die Seite der Betroffenen in der Schiedsstelle für Bergbauschäden gewählt. Andreas Stahlberg, Raik Gallas, Birgit Jeschke, Matthias Bärmann und Frank Vogel wurden als Beisitzer gewählt. Die weiteren Bewerber Hannelore Wodtke, Monika Schulz-Höpfner, Uwe Kawczynski , Christoph Hille und Gerd Günzel wurden als stellvertretende Beisitzer benannt. Allerdings ist die Rolle der Stellverteter in der Schlichtungsordnung gar nicht geregelt, die allein zwischen Wirtschaftsministerium und den Bergbaubetrieben LEAG und LMBV ausgehandelt wurde.

Die Sitzung begann mit einer kontroversen Diskussion. Während der Bergbaubetreiber laut Schlichtungsordnung eine unbegrenzte Anzahl an Beisitzern selbst benennen darf, wurde die Anzahl auf der Betroffenenseite auf fünf limitiert und ihre Auswahl dem Braunkohlenausschuss übertragen. Eine Gleichbehandlung der Betroffenenseite durch Änderung der Schlichtungsordnung wurden in der Sitzung vom Bergbaubetreiber LEAG kategorisch abgelehnt. Der Ausschussvorsitzende Holger Bartsch hofft nun, dass die Rolle der Stellvertreter noch in einer Geschäftsordnung der Schiedsstelle geklärt wird.

Der Vertreter aus dem Landkreis Dahme-Spreewald im Braunkohlenausschuss Lothar Treder-Schmidt bezeichnete die Vorbereitung der Schlichtungsstelle in Brandenburg als „puren Dilettantismus“, da dem Ministerium nicht einmal das Abschreiben von Nordrhein-Westfalen gelinge. Andreas Stahlberg, Kreistagsmitglied in Spree-Neiße kritisierte, dass weder Betroffene noch Braunkohlenausschuss bei der Erstellung der Schlichtungsordnung einbezogen wurden.

Für das Netzwerk Bergbaugeschädigter der Lausitzer Braunkohleregion ist der Braunkohlenausschuss grundsätzlich nicht das geeignete Gremium, um glaubwürdig für die Betroffenen einstehen zu können. Ein Teil seiner Mitglieder vertritt traditionell die Interessen des Bergbauunternehmens, sollte hier aber plötzlich die Tagebaubetroffenen vertreten. Vor diesem Hintergrund ist die Wahl von Raik Gallas nicht verwunderlich, der seine Tätigkeit im Vorstand des Lobbyvereins „Pro Lausitzer Braunkohle“ in seiner Bewerbung für den Beisitz verschwieg. Hannelore Wodtke hingegen, die offen als Kohlekritikerin und als eine der Sprecherinnen im Netzwerk Bergbaugeschädigter der Lausitzer Braunkohleregion auftritt, wurde als Stellvertreterin benannt.

„Ich werde die Aufgabe als Stellvertreterin pflichtgemäß wahrnehmen und mich weiter für die Belange der Bergbaubetroffene einsetzen“, sagte Hannelore Wodtke: „Das Wichtige ist jedoch, dass es nach über sechs Jahren Hängepartie jetzt endlich losgehen kann“. Wodtke bedauerte es ausdrücklich, dass das Wirtschaftsministerium im Vorfeld noch nicht einmal das Gespräch mit den Betroffenen gesucht hatte.

Betroffene in Braunkohletagebau-Gebieten müssen bei bei Schäden an ihren Immobilien bisher selbst nachweisen, ob diese vom Tagebau verursacht sind. Entscheiden sich Betroffene dennoch zu klagen, droht ihnen vor Gericht eine ungleiche Auseinandersetzung mit einem Großkonzern. Deshalb gibt es in Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahren eine Schlichtungsstelle, an die sich Betroffene kostenlos wenden können. Nach massivem Protest aus der Lausitz hatte der Brandenburger Landtag im Juni 2013 der Einrichtung einer Schiedsstelle für Bergbaubetroffene zugestimmt. (auf Basis einer Pressemitteilung des Netzwerkes Bergbaugeschädigter der Lausitzer Tagebauregion, Foto: Ideengruen)

3. Evangelischer Kirchentag verabschiedet Resolution der Klimapilger

Mit 98 Prozent und damit mit großer Mehrheit der Stimmen hat der Deutsche Evangelische Kirchentag in Dortmund am Freitag die von den Klimapilgern eingebrachte Resolution zu Klimagerechtigkeit verabschiedet. Unter dem Titel "Die Ziele des Pariser Klimaabkommens konsequent umsetzen" richten sie sowohl Forderungen an die Politik, als auch an die Kirchen. Zu den Forderungen an die Politik zählt dabei „bis 2025 mindestens die Hälfte der Kohlekraftwerke abzuschalten und den Strukturwandel in den betroffenen Regionen sozial abzufedern“ und „den Bestand aller noch von Tagebauen bedrohten Dörfer wie auch den Erhalt des Hambacher Waldes zu sichern“. Die Resolution im Original-Wortlaut findet sich hier

4. Können die neuen Arbeitsplätze in der Lausitz überhaupt besetzt werden?

Aus Sicht von Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach gibt es derzeit kein Problem, neue Arbeitsplätze zu schaffen, zitierte die Lausitzer Rundschau schon am 6. Juni Äußerungen des Ministers vor dem Wirtschaftsausschuss des Landtages. In den letzten Monaten seien in Cottbus 500 neue Stellen geschaffen worden, etwa bei der neu angesiedelten Airbus-Tochter und neuen außeruniversitären Forschungseinrichtungen. „Die Aufgabe muss es sein, die Arbeitsplätze auch zu besetzen – wenn die nämlich leer bleiben, zerplatzen diese Dinge wie Seifenblasen.“ - Doch Moment mal, standen nicht im vergangenen Herbst angebliche sechshundert leere Stühle vor der Cottbuser Stadthalle, als Symbol für sechshundert Kumpel und Kraftwerker die durch die Sicherheitsbereitschaft im Kraftwerk Jänschwalde ihren Job verlieren würden? Wo sind diese Leute, wenn es gut bezahlte Stellen zu besetzen gibt?

5. Klagefrist gegen Cottbuser Ostsee endet erst am 25. Juli

Nachdem der Planfeststellungsbeschluss zum „Cottbuser Ostsee“ schon am 12. April öffentlichkeitswirksam übergeben wurde (Wir hatten damals kritisiert, dass sich eine Landesbehörde für eine derartige politische Inszenierung hergibt), ist er erst im Juni öffentlich ausgelegt. Vom 11. Juni bis 25. Juni liegt er in Cottbus und den Ämtern Burg, Peitz, Neuhausen und im Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe zur Einsichtnahme aus. Klagen gegen den Bescheid sind noch bis zum 25. Juli möglich. Die Stadt Frankfurt (Oder) hat bereits wegen der Sulfateinträge in die Spree eine Klage eingereicht.

6. Lacoma-Kreuz geht an Haus der Geschichte

Die Umweltgruppe Cottbus hat ein Kreuz des Mahnmals für abgebaggerte Dörfer in Lacoma an die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland übergeben. Die in Bonn ansässige Stiftung hatte um das für das Dorf Lacoma aufgestellte Original-Kreuz gebeten, um damit in einer geplanten Ausstellung das Thema Bergbauumsiedlungen darstellen zu können. Vor Ort in Lacoma ist ein baldiger Ersatz des Kreuzes geplant. Das Mahnmal wurde 1994 von jungen Aktivisten an der viel befahrenen Bundesstraße aufgestellt und seitdem mehrfach erneuert.

7. Tagebau Gubin vor dem Aus?

Nach Angaben des polnischen Solarunternehmens Sun Investment Group (SIG) habe die polnische Regierung bereits im August 2018 angekündigt, nach dem Kohlekraftwerk in Ostroka keine weiteren Kohlekraftwerke zu genehmigen. Die auf der Seite des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) am 13. Juni verbreitete Nachricht würde auch das Ende des Tagebauprojektes Gubin an der deutschen Grenzen bedeuten, da es mit dem Neubau eines Braunkohlekraftwerkes begründet wird. In wenigen Monaten wird diese Frage auch formal endgültig geklärt sein. Wenn der polnische Kohlekonzern PGE seinen Antrag nicht um die fehlenden Unterlagen ergänzt, wird das im August 2016 ruhend gestellte Genehmigungsverfahren endgültig eingestellt.

8. Gundermann und Gysi in Proschim

Das Kulturhaus in Proschim lädt für Sonnabend, den 29. Juni um 19 Uhr zu Ausstellung, Geschichten und Liedern von und über Gundermann im Garten des Kulturhauses. Mit dabei sind Karikaturist Heinrich Ruynat und Hobbymusiker Christian Völker-Kieschnick aus Hoyerswerda. Während dafür noch Karten zu haben sind, ist der Kaminabend mit Gregor Gysi am 3. Juli im Restaurant „Schmeckerlein“ bereits ausverkauft.

9. Fake news: Cottbuser Ostsee zu 5 % gefüllt?

Bekanntlich wurde die am 12. April begonnene Flutung des Cottbuser Ostsees bereits am 26. April wegen Wassermangels in der Spree wieder gestoppt. In der Berliner Morgenpost vom 16. Juni war nun zu lesen: „Nach aktuellen Angaben wurden bislang rund 29 000 Kubikmeter Spreewasser in den Ostsee eingeleitet. Das entspricht nach Angaben des Betreibers einem derzeitigen Füllstand von fünf Prozent“. Das klingt, als wäre in den zwei Wochen Flutung bereits 5 % des Seevolumens gefüllt worden. Wir haben nachgeschlagen: Tatsächlich gibt der Planfeststellungsantrag das Volumen des Sees bei einem Wasserstand von 62,5 m NN mit 126 Millionen Kubikmetern an. Wird das Auffüllen der Poren im trockengelegten Boden, der Grundwasseranstieg und die Verdunstung mitgerechnet, müssten laut Antrag zwischen 178 bis 250 Millionen Kubikmeter aus der Spree eingeleitet werden. Davon sind höchstens 0,016 % geflossen. Falls schon 5 % der Seegrundes mit Wasser bedeckt sein sollten, ist es das aufsteigende Grundwasser an den tiefsten Stellen des ehemaligen Tagebaues. Dass die Wasserqualität des Sees von diesem (durch den Tagebau chemisch veränderten) Grundwasser geprägt wird, soll durch die Flutung eigentlich verhindert werden. Doch mit jeder Verzögerung steigt zwangsläufig der Grundwasseranteil. Die oft zitierten 88 % Spreewasser dürften schon jetzt nicht mehr zu halten sein.

10. In eigener Sache: Dürre in der Lausitz

In diesem Monat hat es mehrere Starkniederschläge in Teilen Brandenburgs und in Berlin gegeben, teilweise wurden Keller überflutet. Da ist vielleicht nicht jedem bewusst, dass dabei nicht in ganz Brandenburg viel Wasser ankam. Unser Regenmessgerät im Norden des Spree-Neiße-Kreises hat im ganzen Juni bis heute nur 15,5 Millimeter Niederschlag verzeichnet und bekanntlich steigt mit den Temperaturen auch die Verdunstungsrate an. Heute Vormittag steht über der Lieberoser Heide wieder die typische Rauchwolke eine Waldbrandes.

 Der Rundbrief als pdf

Termine

Ausstellung "Unverkäuflich"
26 April 2024
10:00 - 20:00
Franz-Mehring-Platz 1, Berlin
Wir beim Umweltfestival in Berlin
28 April 2024
Berlin, Straße des 17. Juni
Filmabend "Es kommt darauf an das Hoffen zu lernen"
21 Mai 2024
19:00 -
Salon des Franz-Mehring-Platzes 1, 10243 Berlin

Dieser Wald ist der Kohlegrube im Weg

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Lausitzer Menschen für einen früheren Kohleausstieg

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Bitte unterstützt die Lacoma-Filmdokumentation

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