Rundbrief vom 22. Januar 2020

160314 westlich kraftwerk jaenschwalde klein

 

Liebe Leserinnen und Leser,

der heutige Rundbrief hat nur zwei Meldungen, die es allerdings in sich haben:

1. Der ausgekungelte Ausstiegsplan

2. Mitglieder der Kohlekommission protestieren gegen die Aufkündigung des Kohle-Kompromisses durch die Bundesregierung

1. Der ausgekungelte Ausstiegsplan

In der vergangenen Woche hat die Bundesregierung einen Kohleausstiegsplan mit den Konzernen und den Braunkohle-Bundesländern vereinbart, der am 16. Januar in einer Pressekonferenz bekanntgegeben wurde. Für die Lausitz sieht der Plan folgende Abschalttermine vor

  • Jänschwalde A ab 31.12.2025 in Sicherheitsbereitschaft
  • Jänschwalde B ab 31.12.2027 in Sicherheitsbereitschaft
  • Jänschwalde C+D Abschaltung zum 31.12.2028
  • Boxberg N+P Abschaltung zum 31.12.2029
  • Alle nach 1990 gebauten Lausitzer Kraftwerksblöcke (Schwarze Pumpe und Boxberg R und Q) sollen bis zum 31.12.2038 laufen.

Die Entschädigung an die Kraftwerksbetreiber ist mit 1,75 Milliarden Euro beziffert. Dabei wird nicht zwischen mitteldeutschem und Lausitzer Revier unterschieden, wohl weil LEAG wie MIBRAG (über verschachtelte Firmenkonstrukte) beide dem EPH-Konzern in Prag gehören.

Mit den Empfehlungen der Kohlekommission hat das alles nur noch das Enddatum gemeinsam, die anderen Empfehlungen werden mit Füßen getreten. Während der Kommissionsbericht Wert auf einen stetigen Abbau der Kraftwerkskapazitäten legt, sollen jetzt fast alle Braunkohlekraftwerke kurz vor 2030 oder kurz vor 2039 abgeschaltet werden. Das bedeutet einen massiven Mehrausstoß von Treibhausgasen. Es ist dabei völlig unklar, wofür der EPH-Konzern Milliardenentschädigungen bekommen soll. Schon vor jeder Diskussion um den Kohleausstieg war klar, dass die älteren Lausitzer Kraftwerksblöcke im Jahr 2030 vom Netz sein werden.

Völlig absurd ist, dass diejenigen, die über Monate am lautesten den erzielten Kompromiss gelobt und die „1 zu 1-Umsetzung“ der Kommissionsempfehlungen gefordert hatten, jetzt plötzlich für deren Missachtung durch die Bundesregierung schwärmen und stattdessen den Kommissionsbericht zum „radikalen Ausstieg ohne Netz und doppelten Boden“ erklären wollen, wie etwa der Kommentar der Lausitzer Rundschau vom 22. Januar. Das zeigt, dass die politische Diskussion um die Braunkohle in der Lausitz von deren Verfechtern zu keinem Zeitpunkt ehrlich und fair geführt wurde.

Auch wo bei den Gesprächen der Bundesregierung mit Brandenburg und Sachsen die jeweiligen grünen Koalitionspartner waren, ist wohl ein Mysterium. In beiden Ländern berufen sich die Koalitionsverträge ausdrücklich auf den in der Kohlekommission gefundenen Kompromiss, der hier massiv zu Lasten des Klimaschutzes abgeändert wurde.

Formal ist die Entscheidung aber noch nicht gefallen: Ein Kabinettsentscheidung der Bundesregierung ist für den 29. Januar geplant, danach würde das entsprechende Kohleausstiegsgesetz im Bundestag beraten.

2. Mitglieder der Kohlekommission protestieren gegen die Aufkündigung des Kohle-Kompromisses durch die Bundesregierung

Acht ehemalige Mitglieder der Kohlekommission haben am 20. Januar mit einem Brief an Bundeskanzlerin Merkel dagegen protestiert, dass die aktuellen Pläne der Bundesregierung den in der Kommission erzielte Kompromiss klar zu Lasten des Klimaschutzes verletzen. Unter den Unterzeichnern sind die Vorsitzende der Kommission, Barbara Praetorius, der weltweit anerkannte Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber sowie die Vertreter der Umweltverbände.

„Die unterzeichnenden ehemaligen Mitglieder der Kommission stellen fest, dass die seit einem Jahr verkündete 1:1-Umsetzung des in der KWSB erzielten Kompromisses mit der Bund-/Kohleländer-Einigung klar und sehr einseitig verlassen wurde.“ schreiben sie in ihrer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. Darin betonen sie, dass sie den in der Kommission erzielten Kompromiss weiter mittragen, obwohl ihn weiterhin für nicht hinreichend halten, um einen ausreichenden Beitrag zum Erreichen der Pariser Klimaziele zu leisten und obwohl sie Entschädigungszahlungen für weitgehend abgeschriebene oder betriebswirtschaftlich nicht rentable Kraftwerke kritisch sehen. Mit der Bund-Kohleländer-Einigung vom 15. Januar 2020 sehen die Unterzeichner aber „Buchstaben und Geist der in den Empfehlungen der KWSB erzielten Kompromisse vor allem mit Blick auf den Klimaschutz sowie den Umgang mit den vom Braunkohletagebau betroffenen Menschen grob verletzt.“ Die Abweichungen von den Empfehlungen der KWSB sind gravierend und gehen einseitig zu Lasten von Klimaschutz und Tagebaubetroffenen:

  • Kohleausstiegspfad klimapolitisch unzureichend und EU-Emissionshandel geschwächt
  • Inbetriebnahme von Datteln 4 trotz anderslautender Empfehlung
  • Unnötige und unwiederbringliche Zerstörung von Dörfern nicht akzeptabel
  • „Insellösung“ für den Hambacher Wald nicht nachvollziehbar
  • Ausbau der Erneuerbaren Energien fehlt

Der erste Punkt betrifft dabei insbesondere die Lausitz: „Aus rein klimapolitischer Sicht hätte der Emissionsminderungspfad deutlich unterhalb des vereinbarten, annähernd linearen und lückenlosen Pfades liegen müssen. Die nun vereinbarte Abschaltreihenfolge für die den Emissionsminderungspfad dominierenden Braunkohlekraftwerke bildet den gefundenen Kompromisspfad nicht ab und zeichnet sich im Gegenteil durch höhere Emissionen aus. (...) Insgesamt werden im Vergleich zum von der KWSB empfohlenen stetigen Minderungspfad allein durch die Braunkohlenkraftwerke bis 2030 etwa 40 Millionen Tonnen zusätzlich emittiert. (…) In der Summe ist dieser Abschaltplan nicht nur klimapolitisch falsch, sondern mit seinen starken Sprüngen auch energiewirtschaftlich und energiepolitisch hoch problematisch, da so das Stromsystem und der Strommarkt hoch belastet werden.“

„Wir sehen ohne entsprechende Korrekturen den in der KWSB gefundenen und von uns bisher mitgetragenen Kompromiss durch Bund und Länder aufgekündigt. (…) Das aktuelle Vorgehen von Bund und Ländern diskreditiert nicht zuletzt Prozesse, die gesellschaftliche Großkonflikte durch Kompromissfindung unter den Stakeholdern lösen bzw. entschärfen können. Die Kommission hat unter einem hohen Engagement aller Beteiligten einen Kompromiss gefunden, der die Mandate aller Kommissionsmitglieder bis an die Grenzen belastete. (...) Dieser gesellschaftliche Frieden wird nun von Bund und Ländern einseitig und leichtfertig gefährdet.
Wir bedauern ausdrücklich, dass mit der nun erwartbaren Verstärkung eines weitreichenden Konflikts um die Entwicklung der Kohleverstromung in Deutschland wichtige Jahre für den Klimaschutz verloren gehen werden und sich die für Regionen, Anwohner, Beschäftige und Unternehmen scheinbar erreichte Planungssicherheit als überaus trügerisch erweisen könnte.
Wir appellieren nachdrücklich an den Gesetzgeber, die Bund-Länder-Einigung wieder auf den von der KWSB vereinbarten Pfad zurückzuführen. (...) Wir stehen weiter hinter dem Kompromiss, sofern er wirklich ernsthaft und umfassend umgesetzt wird.“

Die Stellungnahme wurde unterzeichnet von

  • Prof. Dr. Barbara Praetorius, ehemalige Vorsitzende der Kohlekommission
  • Olaf Bandt, Vorsitzender BUND
  • Antje Grothus, Vertreterin der Tagebaubetroffenen im Rheinland
  • Martin Kaiser, Greenpeace
  • Dr. Felix Christian Matthes, Energieexperte
  • Prof. Dr. Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbandes Deutscher Naturschutzring
  • Dipl. Ing. Reiner Priggen, Landesverband Erneuerbare Energien NRW
  • Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, Klimaforscher

(Die Vertreterin der Lausitzer Tagebaubetroffenen, Hannelore Wodtke, hatte dem Kommissionsbericht schon im Januar 2019 nicht zustimmen können, weil er keine eindeutigen Aussagen zum Verzicht auf weitere Umsiedlungen und Abbaugebiete enthielt.)

Der Rundbrief als pdf

 

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