Brandenburg und Sachsen haben gewählt: kein Kohle-Bonus für die AfD

(Kohlerundbrief vom 2. September 2019:) Zur Analyse des Wahlergebnisses ließen sich viele Seiten verfassen. Da das aber schon viele andere tun, konzentrieren wir uns darauf, den oft behaupteten Zusammenhang von Kohlepolitik und den Ergebnissen von AfD und Grünen jetzt mal an den harten Zahlen zu überprüfen.

In Brandenburg haben die Zeitungskommentatoren sich in den letzten Wochen so sehr darin gefallen, die Grünen hoch- und die SPD runterzuschreiben, dass es sich schon etwas von der Realität entfernte. Das weiß man jetzt nach dem Wahlabend. Dennoch erreichen die Grünen mit 10,8 % das bisher beste Ergebnis in einem ostdeutschen Flächenland. Dass sie auch in der Lausitz deutlich dazugewinnen, ist durchaus mitteilenswert, nachdem der Kohleausstieg eine zentrale Rolle in ihrer Wahlkampagne gespielt hat. So haben die Grünen die absolute Stimmenzahl in beiden Cottbuser Wahlkreisen mehr als verdoppelt und kommen dort auf 8,6 bzw. 7,9 %. Im Spree-Neiße-Kreis fallen die Zugewinne verhaltener aus, sind aber trotzdem vorhanden.


Die AfD ist in den Lausitzer Wahlkreisen bei den Zweitstimmen stärkste Kraft geworden. Das auf die Haltung zur Kohle zurückzuführen, geht allerdings an der Realität vorbei. Dem Bild von der Lausitz, die stramm zu Kohle steht, scheint die AfD selbst nicht ganz vertraut zu haben, denn sie stützte ihre Kampagne in Brandenburg überhaupt nicht auf dieses Thema: Weder auf Plakaten, noch in Postwurfsendungen oder Anzeigen der Partei kamen die Worte „Kohle“ oder „Klima“ vor. Im Wahlkreis des Ministerpräsidenten Woidke (WK 41) liegt zwar das Kraftwerk Jänschwalde, aber gleichzeitig auch der Raum Guben/Schenkendöbern, der sich 2007 bis 2017 fast geschlossen gegen den geplanten Tagebau Jänschwalde-Nord gewehrt hat. Dort erreicht die AfD ihre Wahlergebnisse vermutlich nicht wegen, sondern trotz ihrer Kohlepolitik.
Ein Anstieg der absoluten Wählerzahl der AfD seit der Bundestagswahl 2017 ist in Cottbus und Spree-Neiße nicht zu verzeichnen. Damals wählten hier 34.905 Wähler die AfD, am 1. September 2019 im gleichen Gebiet noch 34.428. (Wahlkreise 41 bis 44 plus Kolkwitz, Drebkau und Amt Burg/Spreewald) Damit hat weder das Ergebnis der Kohlekommission, noch der zwei Tage vor der Wahl entschiedene Stop des Tagebaues Jänschwalde im Vergleich zu vor zwei Jahren zusätzliche AfD-Wähler mobilisiert. Die meist gestiegenen Prozentzahlen kommen also daher, dass mehr Wähler anderer Parteien zuhause geblieben sind. Mit Ausnahme der Grünen, die 2017 noch 4093 und jetzt 6.931 Wähler in Cottbus und Spree-Neiße verbuchen konnten.
AfD-Kandidat Steffen Kubitzki hat bei einer Podiumsrunde unfreiwillig offenbart, dass er sich mit dem wichtigsten in Brandenburg umstrittenen Kohleprojekt nie ernsthaft beschäftigt hat. Für einen Kraftwerker, der gegen Ministerpräsident Woidke kandidierte, ist das durchaus bemerkenswert. Hier ein Wortwechsel auf dem Wahlforum des sorbischen Dachverbandes Domowina am 13. August 2019, wo nach der Umsiedlung von Proschim gefragt wurde:
Kubitzki (AfD): „Klar, wär schön wenn's stehenbleibt.“
Dannenberg (LINKE): „Aber Sie haben gesagt, die Kohle soll weitergehen. Na was denn jetzt?“
Kubitzki (AfD): „Na klar, soll die Braunkohle erstmal weitergehen, bis wir die Grundlagen geschaffen haben“
Dannenberg (LINKE): „Also bedeutet das aber abbaggern“
Kubitzki (AfD): „Ich weiß doch nicht, wann das Dorf dran is“
(Sorbische Sonntagssendung des RBB vom 18.08.2019, O-Ton ab Minute 19:25)
Bei den Auftritten von Björn Höcke und Robert Habeck an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in Cottbus beobachtete eine Journalistin der WELT, dass nur bei der Habeck-Veranstaltung (kontrovers) über Braunkohle diskutiert wurde und fasst ihren Eindruck so zusammen: „Obwohl sie in der gleichen Stadt wohnen, schien keiner der Cottbuser im Saal und auf dem Platz die Themen der anderen vermisst oder auch nur auf dem Schirm zu haben.“ (Kommen zwei Politiker nach Cottbus, Die WELT, 07.08.2019, S. 8) Auch das spricht dafür, dass nur für einen geringen Teil der AfD-Wähler die Kohlepolitik wahlentscheidend gewesen ist.
Die politischen Verhältnisse in Ostsachsen sind dadurch gekennzeichnet, dass AfD und CDU jeweils mehr als 30 % der Stimmen erreichten, wobei mal die eine und mal die andere Partei vorn liegt und alle anderen Parteien einstellige Ergebnisse erreichen. Dieses Muster zieht sich durch die gesamte Osthälfte des Freistaates mit Ausnahme der Großstadt Dresden. Die Grenze des Kohlerevieres lässt sich in den Wahlergebnissen auch bei genauem Hinsehen nicht wiederfinden. Im Gegenteil: Die Linke, in Sachsen eindeutiger kohlekritisch verortet als in Brandenburg, erzielt ihr einziges zweistelliges Ergebnis im Wahlkreis Görlitz mit 11 % gerade in Weißwasser, das als besonders vom Kohle-Strukturwandel betroffen gilt. Die höchsten AfD-Ergebnisse auf Gemeindeebene liegen außerhalb des Kohlereviers, etwa in Puschwitz mit 43,8% oder Neißeaue mit 48,4 %.

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Dieser Wald ist der Kohlegrube im Weg

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