Faktencheck: Kein Bezug der AfD-Ergebnisse zu Kohlepolitik erkennbar

Hartnäckig hält sich der Mythos, der Kohleausstieg führe zu hohen AfD-Wahlergebnissen in der Lausitz. Gerüchte besagen, das Argument habe sogar bei der Bewilligung der Milliardenbeihilfe für die LEAG durch die EU-Kommission eine Rolle gespielt. Die Ergebnisse der gestrigen Europawahl widerlegen es allerdings gründlich: Eine Betroffenheit durch den Kohleausstieg oder LEAG-Planungen bildet sich in der Verteilung der AfD-Ergebnisse über die Kreise und Gemeinden in Brandenburg und Sachsen überhaupt nicht ab.

Stärkste Kraft wurde die AfD mit wenigen Ausnahmen in ganz Ostdeutschland, das wird sich wohl kaum mit dem Kohleausstieg erklären lassen. Aber auch besonders hohe AfD-Werte passen nicht etwa zu den Umrissen des Kohlereviers.

Im sächsischen Landkreis Görlitz etwa finden sich AfD-Ergebnisse über 40 % sowohl in den braunkohlegeprägten Gemeinden wie Schleife, Trebendorf und Boxberg als auch im in keiner Weise vom Wohlergehen der LEAG beeinflussten Süden des Kreises (Kottmar, Großschönau). Das höchste AfD-Ergebnis gibt es mit 56 % in Neißeaue, ein Bezug der Gemeinde zu Kraftwerk, Tagebau oder „GigaWattFactory“ ist nicht erkennbar.

Im Landkreis Bautzen dasselbe: Sohland oder Steinigtwollmsdorf haben es weitab aller Kohle- und LEAG-Debatten auf deutlich mehr AfD-Stimmen gebracht als die Gemeinde Spreetal, die an Kraftwerk und Industriepark Schwarze Pumpe grenzt.

In Spree-Neiße-Kreis zeigt sich ein fast gleichmäßiges Bild, egal ob stark von LEAG und Kohle betroffen (Amt Peitz, Welzow) oder nahezu gar nicht (Amt Burg, Kolkwitz), ob traditionell tagebaukritisch (Guben, Schenkendöbern) oder traditionell kohlefreundlich (Spremberg, Amt Peitz).

Die Stärke der AfD setzt sich nahtlos im Landkreis OSL fort, der nur ganz randlich mit der LEAG zu tun hat, ebenso wie in Elbe-Elster, wo man den Konzern nur aus der Zeitung kennt. Es sind die drei peripheren Landkreise an der Grenze zu Sachsen und ohne Anteil am Berliner Speckgürtel, die sich seit 30 Jahren abgehangen fühlen und mehr als eine Generation lang Abwanderungsregion waren.

Auf der Suche nach Ursachen heutiger Wahlergebnisse lohnt sich ein Blick zurück: Als 2009 DIE LINKE mit Wolfgang Neskovic das Bundestags-Direktmandat im Wahlkreis Cottbus und Spree-Neiße gewann, hatte sie kurz zuvor ein Volksbegehren gegen neue Tagebaue unterstützt. Damals gab es hier noch mehr Kohlebeschäftigte und mehr Arbeitslose als heute. Aber die LINKE war die damalige Protestpartei, konnte verschiedenste Unzufriedene vereinen. Gegen „die da oben“ zu wählen, hat seit der Wiedervereinigung in der Lausitz Tradition, nicht erst seit dem Kohleausstiegsgesetz. Heute spielen Themen wie Coronamaßnahmen, Zuwanderung, Waffenlieferungen oder Verbrenner-Aus für viele Protestwähler*innen eine Rolle. Die Lausitz macht da schlichtweg keine Ausnahme.

Wie in der Pressekonferenz am 4. Juni zugegeben wurde, hatten die Ministerpräsidenten Kretschmer (CDU) und Woidke (SPD) vor einigen Wochen ein persönliches Gespräch mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) über die LEAG-Beihilfe. Wurde dort auch mit einem Wahlsieg der AfD in der Lausitz gedroht? Sollten die 1,75 Milliarden Euro für die LEAG tatsächlich aus wahltaktischem Kalkül bewilligt worden sein, hat es jedenfalls nicht funktioniert. Es ist ja eigentlich auch völlig abwegig, mit Geschenken an große Unternehmen die Stimmen der kleinen Leute kaufen zu wollen. Stattdessen Recht und Gesetz konsequent anzuwenden, hätte das Wahlergebnis auch nicht kurzfristig verändert, wäre aber eine glaubwürdigere Strategie gewesen. Und Glaubwürdigkeit kann sich langfristig auszahlen.

Termine

Arbeitskreis Tagebau Jänschwalde des Braunkohlenausschusses
04 Juli 2024
17:00 -
Sitzungssaal des Kreistages, Forst(Lausitz)
Liedkunst-Konzert im bedrohten Wald
18 August 2024
14:00 -
bedrohter Wald bei Rohne
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01 September 2024
Landtagswahl in Brandenburg
22 September 2024

Dieser Wald ist der Kohlegrube im Weg

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Lausitzer Menschen für einen früheren Kohleausstieg

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